Inhalt:
Mit halbem Ohr folgte ich immer noch dem öden Vortrag, der Rest meines Körpers konzentrierte sich auf das, was sich hinter der Glasscheibe befand.
Er saß auf der Ledercouch in der Lounge. Die Beine hatte er überschlagen, seine Arme lagen entspannt auf der breiten Rückenlehne. Ich bemerkte sofort seinen hypnotisierenden Blick. Er fixierte mich. Mein erster Eindruck sagte mir: Er ist ganz anders als all die Männer, die jemals meinen Weg kreuzten.
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Odeur de mort
Zoe Zander
Krimi-Kurzgeschichte
© 2018 Zoe Zander
Ingenium – Kampf der Völker
Fantasy-Roman
Alle Rechte vorbehalten
Cover und Covergestaltung: Jeanette Peters
Buchsatz und Textgestaltung: Zoe Zander
Leseeulen-Verlag
Selbstverlag
Jeanette Peters
Dörwerstraße 68
44359 Dortmund
Email: Leseeulenverlag@gmx.de
Zander.Zoe@gmail.comSmaragde im Feuer
Weltmarktführer in Unterhaltungselektronik, aber die Meetings langweilten einen zu Tode. Vier Stunden saß ich schon hier, ohne ein Wort gesagt zu haben. Ab und zu schrieb ich eine Bemerkung in meinen Notizblock. Mein Nacken war steif, der Hintern taub und mein Kopf wurde immer schwerer.
Zwei Monate arbeitete ich bereits in diesem Unternehmen, aber an diese inhaltslosen Besprechungen habe ich mich immer noch nicht gewöhnt. Mein Blick wanderte suchend im Flur der Chefetage umher. Ich brauchte dringend etwas, was mich am Einschlafen hindern würde.
„Ständig dasselbe“, murmelte ich vor mich hin und nahm das Wasserglas vom Tisch. Ich hätte es mir am liebsten ins Gesicht geschüttet, um nicht einzuschlafen. Stattdessen trank ich es leer, stellte es erneut hin und sah abermals durch die Glaswand in den Gang. Mein Blick blieb, wie angenagelt, vor meiner Bürotür hängen – die Langeweile war blitzartig verflogen. Ein tiefer Atemzug füllte meine Lunge mit frischer Luft und holte mein Herz aus dem Tiefschlaf. Wie verrückt fing es an zu schlagen und beförderte mit einem Höllentempo das Blut durch meine Venen. Das Gefühl kehrte in meine tauben Glieder zurück und mein Körper erwachte erneut zum Leben.
Mit halbem Ohr folgte ich immer noch dem öden Vortrag, der Rest meines Körpers konzentrierte sich auf das, was sich hinter der Glasscheibe befand.
Er saß auf der Ledercouch in der Lounge. Die Beine hatte er überschlagen, seine Arme lagen entspannt auf der breiten Rückenlehne. Ich bemerkte sofort seinen hypnotisierenden Blick. Er fixierte mich. Mein erster Eindruck sagte mir: Er sei ganz anders als all die Männer, die jemals meinen Weg kreuzten.
Er nahm den rechten Arm von der Lehne, griff sich unter das Sakko und holte sein Handy raus. Mit dem Daumen klappte er gekonnt das Telefon auf und tippte auf den kleinen Tasten herum. Zu gerne würde ich wissen, ob seine Stimme auch so klang, wie er aussah – männlich. Blöd nur, dass ich von meinem eigenen Telefon abgelenkt wurde.
„Barelli?“ Ich trug währenddessen die nächste Notiz in meinen Block ein. „Hallo?“ Ich hörte jemanden laut atmen, aber es meldete sich niemand. Kurz darauf brach die Verbindung ab. Ich legte das Handy auf meinen Block und ließ mir von meiner Sekretärin das Glas nachfüllen. Als sie sich zu mir runter beugte, fragte ich nach. „Habe ich etwa einen Termin versäumt?“ Sie zwinkerte mich unwissend an. „Wer ist der Mann, der vor meinem Büro wartet?“
Sie überlegte keine Sekunde. „Welcher Mann?“ Mein Blick folgte meinem Finger, mit dem ich auf die Couch zeigen wollte. Doch so weit kam es nicht.
Er war weg. Der Gang war leer.
„Wenn es ein Gedränge gibt, dann auf dem Damenklo“, brummte ich verärgert. Ich zwängte mich durch die Toilettentür in die Halle und ließ mir ein Taxi rufen.
Wartend stand ich vor dem Ausgang und betrachtete die Gesellschaft im Saal.
„Das teuerste Kleid des berühmtesten Designers ist nichts wert, wenn der Inhalt nicht dazu passt“, flüsterte mir eine tiefe Stimme ins Ohr. Heißer Atem kitzelte mich im Nacken. Wie Lauffeuer breitete sich Gänsehaut über meinen gesamten Körper. „Dieses Kunstwerk muss sich der Meister von der Natur abgeguckt haben.“ Ich fühlte die Spannung in der Luft, es knisterte regelrecht. Kein Blatt Papier hätte zwischen seinen Lippen und meinem Ohrläppchen Platz gefunden. So nah stand er neben mir. „Noch nie war der Sternenhimmel so klar.“
Ich drehte mich verlegen zur Seite, mein Blick landete im Spiegel. Jetzt konnte ich sehen, wie er mich betrachtete. Mich, in meinem nachtblauen Kleid mit aufgenähten Swarowski-Steinen und mein schamrotes Gesicht.
„Ihr Wagen ist da!“, rief mir der Portier von draußen zu. Meine Augen folgten der Stimme. In dem Moment griff der Fremde nach meiner Hand. Überrascht drehte ich mich um, da senkte er seinen Kopf und berührte mit seinen Lippen meinen Handrücken. Diese ungewohnte Geste verschlug mir die Sprache. Vielleicht lag es aber auch an dem verschmitzten Lächeln, mit dem er sich von mir verabschiedete.
„Sagen Sie“, sprach ich den Portier an, als er mir ins Taxi half. „Sind nur geladene Personen anwesend?
„Gewiss, Frau Barelli“, versicherte er mir.
„Dann verraten Sie mir bitte, wie der Mann heißt, der vor dem Eingang steht.“
Er drehte sich um. „Welcher Mann?“ Er machte einen Schritt zur Seite und gab mir die Sicht frei.
„Vorhin ist er mit mir vor dem großen Spiegel gestanden…“ Doch, statt den Fremden zu sehen, begegnete mein Blick nur dem ahnungslosen Portier.
„Ich bedaure. Von meinem Platz aus konnte ich nur Sie sehen, Frau Barelli.“
Nachdenkend fasste ich mir ans Ohr. Ich fragte mich, was mir mehr leidtat. Den Ohrring zu vermissen, oder den Fremden aus den Augen verloren zu haben.
„So ein Mist!“, fluchte ich, als mein Golfball im Gebüsch verschwand.
„Viel Spaß!“ Meine mitspielenden Arbeitskollegen amüsierten sich über dieses Missgeschick. Mit dem Neunereisen begab ich mich auf die Suche.
Ich schob die Äste der Sträucher zur Seite, aber der Ball war nirgendwo zu finden. Ich stocherte mit dem Golfschläger gerade im Dickicht, da richtete ich schlagartig meinen Rücken gerade und holte tief Luft. Dieser Duft… Ein mildes Lächeln machte sich in meinem Gesicht breit.
Wie versteinert blieb ich stehen, als mich zwei starke Hände an den Hüften packten. „Das Becken bleibt gerade, wenn du zum Schlag ausholst.“ Wie aus dem Nichts stand er plötzlich direkt hinter mir. „Die Augen folgen dem Eisen.“ Er drückte seine Wange an meine und lenkte meinen Kopf sanft nach rechts. Mein Blick rutschte den Schläger entlang zum Boden und entdeckte den Ball.
„Brauchen Sie Hilfe beim Suchen?“ Ich konnte das Kichern meiner Kollegen bis hier her hören.
„Nein!“, jauchzte ich laut. Beinahe wäre ich wie eine Figur aus Sand durch seine Finger gerieselt, als er mich auf meinen gestreckten Hals küsste. „Wer…“ Er ließ abrupt meine Hüfte los und legte mir seine Finger auf die Lippen. Seine andere Hand rutschte während dessen unter die Knopfleiste meiner Bluse.
„Ich mag es, wenn du jeden Morgen auf dem Weg ins Büro vor dem Blumenladen an den Rosen riechst.“ Seine Finger berührten meine nackte Haut. Plötzlich konnte ich dem Drang nicht mehr widerstehen. Ich berührte mit der Zungenspitze seine Finger, die auf meinen Lippen lagen. „Mir gefällt, dass du dir die Zeit nimmst. Dich langsam runter beugst, um ihre Schönheit zu bewundern. Um ihren Duft zu genießen.“ Sein Finger schmeckte so, wie er roch. Herb. Seine andere Hand erreichte den Ansatz meiner Brust und ich nahm den Golfschläger fester in die Hand. Für den Fall. Aber es passierte nichts.
Es tat mir fast leid, dass seine Zudringlichkeit hier aufhörte. Er hatte das Verlangen nach mehr in mir geweckt. „Ich liebe Rosen.“ Auch seine Finger hatten meine Lippen längst freigegeben. Ich atmete tief durch und drehte den Kopf weiter zur Seite, um ihm noch mehr von meinem Hals zum Küssen anzubieten.
„Ich weiß…“ Er hauchte mir ins Ohr und griff nach mir, als meine Knie nachgegeben hatten und ich drohte, ins feuchte Laub zu stürzen. „Du duftest selber wie eine.“ Ich gab nach, ließ mich an ihn drücken. „Ich liebe diesen Duft…“
„Haben Sie den Ball schon gefunden?!“ Es raschelte plötzlich im Gebüsch. Genau in dem Augenblick, als ich endlich seinen durchtrainierten Oberkörper zu spüren bekam.
„Ja.“ Ich bückte mich nach unten und griff nach dem Ball, als ich daneben ein Glitzern bemerkte. Ich ging in die Knie und drückte mit der Hand das Gras nieder. „Und nicht nur den.“ Ich freute mich über meinen wiedergefundenen Ohrring.
„Kommen Sie!“ Einer meiner Kollegen reichte mir die Hand und holte mich aus dem Dickicht raus.
Ich wartete in der Eingangshalle des Clubhauses auf meine Mitfahrgelegenheit und schrieb meine Gedanken in den Notizblock nieder. „Gibt es eine andere Möglichkeit auf den Golfplatz zu gelangen, oder muss jeder an Ihnen vorbei?“, fragte ich den Clubangestellten.
„Seit das Gelände eingezäunt wurde, muß jeder Gast an mir vorbei“, antwortete er, während er die Leihausrüstung in den Regalen ordnete.
„Sind heute viele Clubmitglieder hier?“, fragte ich weiter nach.
„Nein, Sie sind an diesem Tag die einzigen Besucher gewesen. Sonntags in der Früh ist hier nie viel los.“
„Anfang Vierzig, kräftig, Südländer mit Akzent, metrosexuell, Golfer?“ Mein Golfpartner guckte mir neugierig über die Schulter. „Wollen Sie eine Kontaktanzeige aufgeben?“
„Wieso, hätten Sie Interesse?“
Er las weiter. „Armani? Jill Sander? Sie sind ziemlich direkt.“ Mein Kollege schnappte sich meine Ausrüstung und ging zu seinem Wagen.
„Ich weiß eben, was ich will.“ Ich nahm meine Notizen und folgte ihm.
„Morgen“, erwiderte ich den Gruß meiner Sekretärin und betrat mein Büro. Ich legte meinen Aktenkoffer auf den Tisch und öffnete alle Fenster, um den Mief zu vertreiben, den die nächtliche Putzkolonne zurückgelassen hatte. „Frau Maywald“, erwischte ich meine Sekretärin mit der Controllingassistentin und einer Tafel Schokolade.
„Hm?“, brummte sie mit vollem Mund.
„Von wem sind die Rosen?“
Gierig würgte sie den Bissen runter. „Welche Rosen?
Ich zeigte mit der Hand auf meinen Tisch. Beide Frauen lehnten sich über den Ablagepult und blickten durch die Tür.
„Pf.“ Sie zuckte unwissend mit den Schultern. Noch bevor ich weiter fragen konnte, läutete mein Telefon.
„Barelli.“ Ich streifte mit den Fingern über die Rosenblüten und atmete ihren herrlichen Duft ein.
„Sie sind zwar nicht so rot wie dein Haar, aber sie duften genauso, wie du.“
Unbewusst neigte ich den Kopf zur Seite, als würde er wieder hinter mir stehen und mir ins Ohr pusten. Dabei glitt mein Blick in den Vorraum und mir fiel auf, dass ich belauscht wurde.
„Ich möchte mich für die wunderschönen Blumen bedanken.“ Ich ging zur Tür. „Auch für den Ohrring, den ich bereits für verloren hielt.“ Ich machte die Tür zu.
„Ein heimlicher Verehrer?“, fragte die Mitarbeiterin aus dem Controlling nach.
„Die? Nie im Leben. Letzte Woche hat sie mitbekommen, wie sie der Personalchef als Karriereschlampe bezeichnete. Die Rosen hat sie sich bestimmt selbst schicken lassen. Und am Telefon ist sicherlich eine Freundin von ihr. Damit sie so tun kann, als hätte irgendein Typ Interesse an ihr.“ Ich konnte trotz geschlossener Tür alles hören.
„Ich hätte ihn dir gerne angelegt, aber…“
„Wir wurden gestört“, sprach ich den Satz zu ende und ging langsam zu dem geöffneten Fenster. Das Gackern hinter der Tür vermieste mir die Stimmung.
Draußen wehte eine frische Brise. Ich streifte mir die Haarsträhne aus dem Gesicht und glitt mir mit den Fingern den Hals entlang, bis zum obersten Knopf meiner Bluse.
„Ich wünschte, es wäre meine Hand.“
Ich blickte zu dem Hotel, das auf der anderen Straßenseite stand. Meist übernachteten dort die Stewardessen nach ihren Langstreckenflügen. „Und wäre dem so, was würdest du tun?“ Ich lehnte mich an den Fensterrahmen.
„Ich würde langsam den obersten Knopf aufmachen.“
Ich führte seinen Wunsch aus. „War es zu schnell?“ Der seidene Stoff rutschte über meine Schulter. Im tiefen Ausschnitt kam mein Büstenhalter zum Vorschein.
„Nein, es war genau richtig. Wie fühlt sich die Spitze an?“
Meine Finger verschwanden unter der Bluse. „Weich.“ Ich schloss dabei die Augen und legte meinen Kopf in den Nacken.
Er flüsterte ins Telefon: „Und weiter?“
„Die Spitze ist so dünn… Es fühlt sich an, als würde ich meine Haut streicheln.“
Er schluckte laut. „Beschreibe ihn mir.“
Ich hörte ein Geräusch im Hintergrund. Die Gürtelschnalle? Der Reißverschluss? Ich lächelte vergnügt und fuhr fort. „Er ist weiß und hat ein Blumenmuster. Wie auf den Werbeplakaten in der Innenstadt.“ Er seufzte leise. „Eine große Rosenblüte in der Mitte. Um sie herum – kleine Blätter. Ich kann jedes Detail mit meinen Fingerspitzen ertasten.“ Seine Atemzüge wurden tiefer. Ich wisperte: „Und an den Trägern…“
Er fuhr mit zittriger Stimme fort: „Blutrote Glassteine.“
„Wie die Rosen, die du mir geschickt hast.
„Die so herrlich duften, wie du…“
Es klopfte an der Tür. „Bitte!“ Ich saß längst am Schreibtisch und arbeitete an meinen Notizen. Vor meinem geistigen Auge sah ich das riesige Werbeplakat. Es war ein Unikat, das einzige im ganzen Land. Nur hier konnte man außer dem Parfümflakon, auch noch die Glassteine am Büstenhalter des Modells in Farbe bewundern.
Ich arbeitete rund um die Uhr, doch die japanischen Tage schienen mehr als vierundzwanzig Stunden zu haben. Nach einem anstrengenden Meetingmarathon habe ich mich in den Wellnessbereich meines Hotels zurückgezogen.
Ich saß gerade im Jacuzzi. Es war irgendwo zwischen – spät in der Nacht und früh am Morgen. Das Wasser dampfte und blubberte, als würde es kochen. Ich nippte an meinem Glas und stellte es zu meinen Notizen am Beckenrand ab. So nah, dass ich beides greifen konnte. Jedoch so weit, dass alles trocken blieb. Während sich die Düsen meinem verspannten Rücken widmeten, hielt ich mich am Gelände fest und ließ meine Beine im Wasser treiben. Ich genoss die Ruhe, das warme Wasser, den herben Duft und die anregende Fußmassage. Ich spürte, wie meine Finger von der Stange glitten. Es störte mich nicht. Zwei kräftige Hände hielten mich fest, damit ich nicht unterging. Heiße Lippen berührten meine Stirn und ich schloss die Augen.
„Ich bin überwältigt.“ Meine Haarspange hatte sich gelöst. „Ich wusste, dass es lang ist. Aber ich habe mir nicht vorstellen können, wie lang.“ Meine Locken breiteten sich an der Wasseroberfläche aus. „Als würde das Wasser in Flammen stehen…“ Ich schwieg, hielt die Augen geschlossen und genoss es, wie er meinen Bauchnabel küsste.
Mein Oberkörper tauchte aus dem Wasser auf, aber meine Augen blieben zu. Es kümmerte mich nicht. Ich kam mir vor wie Lois Lane, als sie von Superman getragen wurde. Dunkles Haar, durchtrainierter Körper, nur der Umhang fehlte.
Ich spürte seine Haut an meiner, seine Hand in meinem Haar, seine Lippen an meinen, die bequeme Liege unter mir …
Trotz des langen Fluges und des Unwetters, das mich in der Heimat empfing, war ich gut gelaunt. Ich eilte aus dem Duty-free-Shop, lächelte der Schönheit mit den roten Glassteinen auf der Plakatwand zu und lief aus der Flughafenhalle hinaus in den Regen. In der Nase hatte ich immer noch den Duft des Unbekannten.
Ich rannte über den Parkplatz, als wollte ich einen Weltrekord aufstellen. Von der Ferne öffnete ich den Wagen mit der Fernsteuerung. Aus zwei Schritten Distanz warf ich mein Gepäck in den bereits offenen Kofferraum. Ich wollte schnell wieder ins Trockene und – ich konnte unsere nächste Begegnung kaum erwarten.
Dicke graue Wolken bedeckten den Himmel und übertrugen die düstere Atmosphäre ins Wageninnere. Der Scheibenwischer kämpfte verbissen mit den Wassermassen. So schnell er sich bewegte, so schnell erfolgte auch der Schlagabtausch zwischen mir und meinem Kollegen am Telefon. Das Blitzen in der Ferne war mir gar nicht aufgefallen. Ein entgegenkommender Wagen blendete mich. Bevor ich von der Straße abkam, machte ich schnell das Handschuhfach zu. Ich zupfte noch meinen Stiefel zurecht und warf einen letzten Blick auf das Flakon am Beifahrersitz. Dann starrte ich nur noch den Baum an, auf den ich zuraste.
Ich lag reglos im nassen Gras. Das Wasser prasselte mir ins Gesicht. Eine kräftige Hand tastete meinen Körper ab. Nichts war gebrochen. Warme Lippen versuchten, mich mit einem sanften Kuss, aufzuwecken. „Du riechst heute ganz anders.“ Seine Stimme klang unerwartet fremd.
„Mein neues Parfüm“, erwiderte ich benommen. Seine rechte Hand wanderte von meiner Hüfte unter seine Jacke. Ich riss meine Augen auf, stürzte ihn mit aller Kraft von mir runter und warf ihn um. Eher er sich versah, holte ich die Handschellen, die ich im Stiefel versteckt hatte und fesselte ihm damit die Hände am Rücken.
„Da hat sich das Sicherheitsfahrtraining gelohnt!“, rief mir ein durchnässter Mann von der Straße zu. Ich zerrte den Gefesselten die Böschung hinauf. Er starrte mich dabei perplex an und stolperte immer wieder.
„Deine Augen…“ Ich schubste ihn zu einem der Autos mit Blaulicht, mit denen meine Arbeitskollegen zur Unfallstelle gekommen waren.
„Ich habe die blöden getönten Kontaktlinsen nicht vertragen.“ Ich zwinkerte ihn mit meinen braunen Augen an. Mein Golfpartner öffnete die Tür des Polizeiwagens.
„Es gibt ihn also wirklich, den unsichtbaren Verehrer.“ Der uniformierte Mann schüttelte dabei den Kopf. „Wie haben Sie ihn gefunden?“
„War gar nicht so schwer. Herr Salvetti lieferte mir unbewusst genug Hinweise.“ Ich übergab ihm meinen Gefangenen. „Und während die Kollegen dumme Witze über alte Jungfern machten, verbrachte ich jede freie Minute am Flughafen.“
„Was haben Sie dort gemacht?“, erkundigte sich Kommissarin Maywald.
„Ich bin meiner Nase nachgegangen. Nicht wahr, Herr Flugkapitän?“ Ich griff unter seine Jacke und holte ein langes Messer raus. „Ich bin Anabella Barelli vom Kriminalkommissariat Innere Stadt. Sie werden des vierfachen Mordes verdächtigt.“ Ich ließ ihn abführen. Dann stieg ich zu meinem Partner in den Wagen.
„Alleinstehende erfolgreiche Geschäftsfrauen, die alle das gleiche Parfüm benutzten. Aber wie konnten Sie sicher sein, dass er Ihnen folgen würde?“, fragte er neugierig.
Ich holte einen Zettel aus meiner Jackentasche. Den hatte ich vor etwas mehr als zwei Monaten aus einer Zeitung im Wartezimmer meines Augenarztes rausgerissen. Es war auch eine Werbung für dieses Parfüm. „Reine Intuition.“ Auf dem Bild waren zwei Flakons zu sehen, die in smaragdgrünen Flammen standen.
Odeur de mort
Zoe Zander
Krimi-Kurzgeschichte
© 2018 Zoe Zander
Ingenium – Kampf der Völker
Fantasy-Roman
Alle Rechte vorbehalten
Cover und Covergestaltung: Jeanette Peters
Buchsatz und Textgestaltung: Zoe Zander
Leseeulen-Verlag
Selbstverlag
Jeanette Peters
Dörwerstraße 68
44359 Dortmund
Email: Leseeulenverlag@gmx.de
Zander.Zoe@gmail.comSmaragde im Feuer
Weltmarktführer in Unterhaltungselektronik, aber die Meetings langweilten einen zu Tode. Vier Stunden saß ich schon hier, ohne ein Wort gesagt zu haben. Ab und zu schrieb ich eine Bemerkung in meinen Notizblock. Mein Nacken war steif, der Hintern taub und mein Kopf wurde immer schwerer.
Zwei Monate arbeitete ich bereits in diesem Unternehmen, aber an diese inhaltslosen Besprechungen habe ich mich immer noch nicht gewöhnt. Mein Blick wanderte suchend im Flur der Chefetage umher. Ich brauchte dringend etwas, was mich am Einschlafen hindern würde.
„Ständig dasselbe“, murmelte ich vor mich hin und nahm das Wasserglas vom Tisch. Ich hätte es mir am liebsten ins Gesicht geschüttet, um nicht einzuschlafen. Stattdessen trank ich es leer, stellte es erneut hin und sah abermals durch die Glaswand in den Gang. Mein Blick blieb, wie angenagelt, vor meiner Bürotür hängen – die Langeweile war blitzartig verflogen. Ein tiefer Atemzug füllte meine Lunge mit frischer Luft und holte mein Herz aus dem Tiefschlaf. Wie verrückt fing es an zu schlagen und beförderte mit einem Höllentempo das Blut durch meine Venen. Das Gefühl kehrte in meine tauben Glieder zurück und mein Körper erwachte erneut zum Leben.
Mit halbem Ohr folgte ich immer noch dem öden Vortrag, der Rest meines Körpers konzentrierte sich auf das, was sich hinter der Glasscheibe befand.
Er saß auf der Ledercouch in der Lounge. Die Beine hatte er überschlagen, seine Arme lagen entspannt auf der breiten Rückenlehne. Ich bemerkte sofort seinen hypnotisierenden Blick. Er fixierte mich. Mein erster Eindruck sagte mir: Er sei ganz anders als all die Männer, die jemals meinen Weg kreuzten.
Er nahm den rechten Arm von der Lehne, griff sich unter das Sakko und holte sein Handy raus. Mit dem Daumen klappte er gekonnt das Telefon auf und tippte auf den kleinen Tasten herum. Zu gerne würde ich wissen, ob seine Stimme auch so klang, wie er aussah – männlich. Blöd nur, dass ich von meinem eigenen Telefon abgelenkt wurde.
„Barelli?“ Ich trug währenddessen die nächste Notiz in meinen Block ein. „Hallo?“ Ich hörte jemanden laut atmen, aber es meldete sich niemand. Kurz darauf brach die Verbindung ab. Ich legte das Handy auf meinen Block und ließ mir von meiner Sekretärin das Glas nachfüllen. Als sie sich zu mir runter beugte, fragte ich nach. „Habe ich etwa einen Termin versäumt?“ Sie zwinkerte mich unwissend an. „Wer ist der Mann, der vor meinem Büro wartet?“
Sie überlegte keine Sekunde. „Welcher Mann?“ Mein Blick folgte meinem Finger, mit dem ich auf die Couch zeigen wollte. Doch so weit kam es nicht.
Er war weg. Der Gang war leer.
„Wenn es ein Gedränge gibt, dann auf dem Damenklo“, brummte ich verärgert. Ich zwängte mich durch die Toilettentür in die Halle und ließ mir ein Taxi rufen.
Wartend stand ich vor dem Ausgang und betrachtete die Gesellschaft im Saal.
„Das teuerste Kleid des berühmtesten Designers ist nichts wert, wenn der Inhalt nicht dazu passt“, flüsterte mir eine tiefe Stimme ins Ohr. Heißer Atem kitzelte mich im Nacken. Wie Lauffeuer breitete sich Gänsehaut über meinen gesamten Körper. „Dieses Kunstwerk muss sich der Meister von der Natur abgeguckt haben.“ Ich fühlte die Spannung in der Luft, es knisterte regelrecht. Kein Blatt Papier hätte zwischen seinen Lippen und meinem Ohrläppchen Platz gefunden. So nah stand er neben mir. „Noch nie war der Sternenhimmel so klar.“
Ich drehte mich verlegen zur Seite, mein Blick landete im Spiegel. Jetzt konnte ich sehen, wie er mich betrachtete. Mich, in meinem nachtblauen Kleid mit aufgenähten Swarowski-Steinen und mein schamrotes Gesicht.
„Ihr Wagen ist da!“, rief mir der Portier von draußen zu. Meine Augen folgten der Stimme. In dem Moment griff der Fremde nach meiner Hand. Überrascht drehte ich mich um, da senkte er seinen Kopf und berührte mit seinen Lippen meinen Handrücken. Diese ungewohnte Geste verschlug mir die Sprache. Vielleicht lag es aber auch an dem verschmitzten Lächeln, mit dem er sich von mir verabschiedete.
„Sagen Sie“, sprach ich den Portier an, als er mir ins Taxi half. „Sind nur geladene Personen anwesend?
„Gewiss, Frau Barelli“, versicherte er mir.
„Dann verraten Sie mir bitte, wie der Mann heißt, der vor dem Eingang steht.“
Er drehte sich um. „Welcher Mann?“ Er machte einen Schritt zur Seite und gab mir die Sicht frei.
„Vorhin ist er mit mir vor dem großen Spiegel gestanden…“ Doch, statt den Fremden zu sehen, begegnete mein Blick nur dem ahnungslosen Portier.
„Ich bedaure. Von meinem Platz aus konnte ich nur Sie sehen, Frau Barelli.“
Nachdenkend fasste ich mir ans Ohr. Ich fragte mich, was mir mehr leidtat. Den Ohrring zu vermissen, oder den Fremden aus den Augen verloren zu haben.
„So ein Mist!“, fluchte ich, als mein Golfball im Gebüsch verschwand.
„Viel Spaß!“ Meine mitspielenden Arbeitskollegen amüsierten sich über dieses Missgeschick. Mit dem Neunereisen begab ich mich auf die Suche.
Ich schob die Äste der Sträucher zur Seite, aber der Ball war nirgendwo zu finden. Ich stocherte mit dem Golfschläger gerade im Dickicht, da richtete ich schlagartig meinen Rücken gerade und holte tief Luft. Dieser Duft… Ein mildes Lächeln machte sich in meinem Gesicht breit.
Wie versteinert blieb ich stehen, als mich zwei starke Hände an den Hüften packten. „Das Becken bleibt gerade, wenn du zum Schlag ausholst.“ Wie aus dem Nichts stand er plötzlich direkt hinter mir. „Die Augen folgen dem Eisen.“ Er drückte seine Wange an meine und lenkte meinen Kopf sanft nach rechts. Mein Blick rutschte den Schläger entlang zum Boden und entdeckte den Ball.
„Brauchen Sie Hilfe beim Suchen?“ Ich konnte das Kichern meiner Kollegen bis hier her hören.
„Nein!“, jauchzte ich laut. Beinahe wäre ich wie eine Figur aus Sand durch seine Finger gerieselt, als er mich auf meinen gestreckten Hals küsste. „Wer…“ Er ließ abrupt meine Hüfte los und legte mir seine Finger auf die Lippen. Seine andere Hand rutschte während dessen unter die Knopfleiste meiner Bluse.
„Ich mag es, wenn du jeden Morgen auf dem Weg ins Büro vor dem Blumenladen an den Rosen riechst.“ Seine Finger berührten meine nackte Haut. Plötzlich konnte ich dem Drang nicht mehr widerstehen. Ich berührte mit der Zungenspitze seine Finger, die auf meinen Lippen lagen. „Mir gefällt, dass du dir die Zeit nimmst. Dich langsam runter beugst, um ihre Schönheit zu bewundern. Um ihren Duft zu genießen.“ Sein Finger schmeckte so, wie er roch. Herb. Seine andere Hand erreichte den Ansatz meiner Brust und ich nahm den Golfschläger fester in die Hand. Für den Fall. Aber es passierte nichts.
Es tat mir fast leid, dass seine Zudringlichkeit hier aufhörte. Er hatte das Verlangen nach mehr in mir geweckt. „Ich liebe Rosen.“ Auch seine Finger hatten meine Lippen längst freigegeben. Ich atmete tief durch und drehte den Kopf weiter zur Seite, um ihm noch mehr von meinem Hals zum Küssen anzubieten.
„Ich weiß…“ Er hauchte mir ins Ohr und griff nach mir, als meine Knie nachgegeben hatten und ich drohte, ins feuchte Laub zu stürzen. „Du duftest selber wie eine.“ Ich gab nach, ließ mich an ihn drücken. „Ich liebe diesen Duft…“
„Haben Sie den Ball schon gefunden?!“ Es raschelte plötzlich im Gebüsch. Genau in dem Augenblick, als ich endlich seinen durchtrainierten Oberkörper zu spüren bekam.
„Ja.“ Ich bückte mich nach unten und griff nach dem Ball, als ich daneben ein Glitzern bemerkte. Ich ging in die Knie und drückte mit der Hand das Gras nieder. „Und nicht nur den.“ Ich freute mich über meinen wiedergefundenen Ohrring.
„Kommen Sie!“ Einer meiner Kollegen reichte mir die Hand und holte mich aus dem Dickicht raus.
Ich wartete in der Eingangshalle des Clubhauses auf meine Mitfahrgelegenheit und schrieb meine Gedanken in den Notizblock nieder. „Gibt es eine andere Möglichkeit auf den Golfplatz zu gelangen, oder muss jeder an Ihnen vorbei?“, fragte ich den Clubangestellten.
„Seit das Gelände eingezäunt wurde, muß jeder Gast an mir vorbei“, antwortete er, während er die Leihausrüstung in den Regalen ordnete.
„Sind heute viele Clubmitglieder hier?“, fragte ich weiter nach.
„Nein, Sie sind an diesem Tag die einzigen Besucher gewesen. Sonntags in der Früh ist hier nie viel los.“
„Anfang Vierzig, kräftig, Südländer mit Akzent, metrosexuell, Golfer?“ Mein Golfpartner guckte mir neugierig über die Schulter. „Wollen Sie eine Kontaktanzeige aufgeben?“
„Wieso, hätten Sie Interesse?“
Er las weiter. „Armani? Jill Sander? Sie sind ziemlich direkt.“ Mein Kollege schnappte sich meine Ausrüstung und ging zu seinem Wagen.
„Ich weiß eben, was ich will.“ Ich nahm meine Notizen und folgte ihm.
„Morgen“, erwiderte ich den Gruß meiner Sekretärin und betrat mein Büro. Ich legte meinen Aktenkoffer auf den Tisch und öffnete alle Fenster, um den Mief zu vertreiben, den die nächtliche Putzkolonne zurückgelassen hatte. „Frau Maywald“, erwischte ich meine Sekretärin mit der Controllingassistentin und einer Tafel Schokolade.
„Hm?“, brummte sie mit vollem Mund.
„Von wem sind die Rosen?“
Gierig würgte sie den Bissen runter. „Welche Rosen?
Ich zeigte mit der Hand auf meinen Tisch. Beide Frauen lehnten sich über den Ablagepult und blickten durch die Tür.
„Pf.“ Sie zuckte unwissend mit den Schultern. Noch bevor ich weiter fragen konnte, läutete mein Telefon.
„Barelli.“ Ich streifte mit den Fingern über die Rosenblüten und atmete ihren herrlichen Duft ein.
„Sie sind zwar nicht so rot wie dein Haar, aber sie duften genauso, wie du.“
Unbewusst neigte ich den Kopf zur Seite, als würde er wieder hinter mir stehen und mir ins Ohr pusten. Dabei glitt mein Blick in den Vorraum und mir fiel auf, dass ich belauscht wurde.
„Ich möchte mich für die wunderschönen Blumen bedanken.“ Ich ging zur Tür. „Auch für den Ohrring, den ich bereits für verloren hielt.“ Ich machte die Tür zu.
„Ein heimlicher Verehrer?“, fragte die Mitarbeiterin aus dem Controlling nach.
„Die? Nie im Leben. Letzte Woche hat sie mitbekommen, wie sie der Personalchef als Karriereschlampe bezeichnete. Die Rosen hat sie sich bestimmt selbst schicken lassen. Und am Telefon ist sicherlich eine Freundin von ihr. Damit sie so tun kann, als hätte irgendein Typ Interesse an ihr.“ Ich konnte trotz geschlossener Tür alles hören.
„Ich hätte ihn dir gerne angelegt, aber…“
„Wir wurden gestört“, sprach ich den Satz zu ende und ging langsam zu dem geöffneten Fenster. Das Gackern hinter der Tür vermieste mir die Stimmung.
Draußen wehte eine frische Brise. Ich streifte mir die Haarsträhne aus dem Gesicht und glitt mir mit den Fingern den Hals entlang, bis zum obersten Knopf meiner Bluse.
„Ich wünschte, es wäre meine Hand.“
Ich blickte zu dem Hotel, das auf der anderen Straßenseite stand. Meist übernachteten dort die Stewardessen nach ihren Langstreckenflügen. „Und wäre dem so, was würdest du tun?“ Ich lehnte mich an den Fensterrahmen.
„Ich würde langsam den obersten Knopf aufmachen.“
Ich führte seinen Wunsch aus. „War es zu schnell?“ Der seidene Stoff rutschte über meine Schulter. Im tiefen Ausschnitt kam mein Büstenhalter zum Vorschein.
„Nein, es war genau richtig. Wie fühlt sich die Spitze an?“
Meine Finger verschwanden unter der Bluse. „Weich.“ Ich schloss dabei die Augen und legte meinen Kopf in den Nacken.
Er flüsterte ins Telefon: „Und weiter?“
„Die Spitze ist so dünn… Es fühlt sich an, als würde ich meine Haut streicheln.“
Er schluckte laut. „Beschreibe ihn mir.“
Ich hörte ein Geräusch im Hintergrund. Die Gürtelschnalle? Der Reißverschluss? Ich lächelte vergnügt und fuhr fort. „Er ist weiß und hat ein Blumenmuster. Wie auf den Werbeplakaten in der Innenstadt.“ Er seufzte leise. „Eine große Rosenblüte in der Mitte. Um sie herum – kleine Blätter. Ich kann jedes Detail mit meinen Fingerspitzen ertasten.“ Seine Atemzüge wurden tiefer. Ich wisperte: „Und an den Trägern…“
Er fuhr mit zittriger Stimme fort: „Blutrote Glassteine.“
„Wie die Rosen, die du mir geschickt hast.
„Die so herrlich duften, wie du…“
Es klopfte an der Tür. „Bitte!“ Ich saß längst am Schreibtisch und arbeitete an meinen Notizen. Vor meinem geistigen Auge sah ich das riesige Werbeplakat. Es war ein Unikat, das einzige im ganzen Land. Nur hier konnte man außer dem Parfümflakon, auch noch die Glassteine am Büstenhalter des Modells in Farbe bewundern.
Ich arbeitete rund um die Uhr, doch die japanischen Tage schienen mehr als vierundzwanzig Stunden zu haben. Nach einem anstrengenden Meetingmarathon habe ich mich in den Wellnessbereich meines Hotels zurückgezogen.
Ich saß gerade im Jacuzzi. Es war irgendwo zwischen – spät in der Nacht und früh am Morgen. Das Wasser dampfte und blubberte, als würde es kochen. Ich nippte an meinem Glas und stellte es zu meinen Notizen am Beckenrand ab. So nah, dass ich beides greifen konnte. Jedoch so weit, dass alles trocken blieb. Während sich die Düsen meinem verspannten Rücken widmeten, hielt ich mich am Gelände fest und ließ meine Beine im Wasser treiben. Ich genoss die Ruhe, das warme Wasser, den herben Duft und die anregende Fußmassage. Ich spürte, wie meine Finger von der Stange glitten. Es störte mich nicht. Zwei kräftige Hände hielten mich fest, damit ich nicht unterging. Heiße Lippen berührten meine Stirn und ich schloss die Augen.
„Ich bin überwältigt.“ Meine Haarspange hatte sich gelöst. „Ich wusste, dass es lang ist. Aber ich habe mir nicht vorstellen können, wie lang.“ Meine Locken breiteten sich an der Wasseroberfläche aus. „Als würde das Wasser in Flammen stehen…“ Ich schwieg, hielt die Augen geschlossen und genoss es, wie er meinen Bauchnabel küsste.
Mein Oberkörper tauchte aus dem Wasser auf, aber meine Augen blieben zu. Es kümmerte mich nicht. Ich kam mir vor wie Lois Lane, als sie von Superman getragen wurde. Dunkles Haar, durchtrainierter Körper, nur der Umhang fehlte.
Ich spürte seine Haut an meiner, seine Hand in meinem Haar, seine Lippen an meinen, die bequeme Liege unter mir …
Trotz des langen Fluges und des Unwetters, das mich in der Heimat empfing, war ich gut gelaunt. Ich eilte aus dem Duty-free-Shop, lächelte der Schönheit mit den roten Glassteinen auf der Plakatwand zu und lief aus der Flughafenhalle hinaus in den Regen. In der Nase hatte ich immer noch den Duft des Unbekannten.
Ich rannte über den Parkplatz, als wollte ich einen Weltrekord aufstellen. Von der Ferne öffnete ich den Wagen mit der Fernsteuerung. Aus zwei Schritten Distanz warf ich mein Gepäck in den bereits offenen Kofferraum. Ich wollte schnell wieder ins Trockene und – ich konnte unsere nächste Begegnung kaum erwarten.
Dicke graue Wolken bedeckten den Himmel und übertrugen die düstere Atmosphäre ins Wageninnere. Der Scheibenwischer kämpfte verbissen mit den Wassermassen. So schnell er sich bewegte, so schnell erfolgte auch der Schlagabtausch zwischen mir und meinem Kollegen am Telefon. Das Blitzen in der Ferne war mir gar nicht aufgefallen. Ein entgegenkommender Wagen blendete mich. Bevor ich von der Straße abkam, machte ich schnell das Handschuhfach zu. Ich zupfte noch meinen Stiefel zurecht und warf einen letzten Blick auf das Flakon am Beifahrersitz. Dann starrte ich nur noch den Baum an, auf den ich zuraste.
Ich lag reglos im nassen Gras. Das Wasser prasselte mir ins Gesicht. Eine kräftige Hand tastete meinen Körper ab. Nichts war gebrochen. Warme Lippen versuchten, mich mit einem sanften Kuss, aufzuwecken. „Du riechst heute ganz anders.“ Seine Stimme klang unerwartet fremd.
„Mein neues Parfüm“, erwiderte ich benommen. Seine rechte Hand wanderte von meiner Hüfte unter seine Jacke. Ich riss meine Augen auf, stürzte ihn mit aller Kraft von mir runter und warf ihn um. Eher er sich versah, holte ich die Handschellen, die ich im Stiefel versteckt hatte und fesselte ihm damit die Hände am Rücken.
„Da hat sich das Sicherheitsfahrtraining gelohnt!“, rief mir ein durchnässter Mann von der Straße zu. Ich zerrte den Gefesselten die Böschung hinauf. Er starrte mich dabei perplex an und stolperte immer wieder.
„Deine Augen…“ Ich schubste ihn zu einem der Autos mit Blaulicht, mit denen meine Arbeitskollegen zur Unfallstelle gekommen waren.
„Ich habe die blöden getönten Kontaktlinsen nicht vertragen.“ Ich zwinkerte ihn mit meinen braunen Augen an. Mein Golfpartner öffnete die Tür des Polizeiwagens.
„Es gibt ihn also wirklich, den unsichtbaren Verehrer.“ Der uniformierte Mann schüttelte dabei den Kopf. „Wie haben Sie ihn gefunden?“
„War gar nicht so schwer. Herr Salvetti lieferte mir unbewusst genug Hinweise.“ Ich übergab ihm meinen Gefangenen. „Und während die Kollegen dumme Witze über alte Jungfern machten, verbrachte ich jede freie Minute am Flughafen.“
„Was haben Sie dort gemacht?“, erkundigte sich Kommissarin Maywald.
„Ich bin meiner Nase nachgegangen. Nicht wahr, Herr Flugkapitän?“ Ich griff unter seine Jacke und holte ein langes Messer raus. „Ich bin Anabella Barelli vom Kriminalkommissariat Innere Stadt. Sie werden des vierfachen Mordes verdächtigt.“ Ich ließ ihn abführen. Dann stieg ich zu meinem Partner in den Wagen.
„Alleinstehende erfolgreiche Geschäftsfrauen, die alle das gleiche Parfüm benutzten. Aber wie konnten Sie sicher sein, dass er Ihnen folgen würde?“, fragte er neugierig.
Ich holte einen Zettel aus meiner Jackentasche. Den hatte ich vor etwas mehr als zwei Monaten aus einer Zeitung im Wartezimmer meines Augenarztes rausgerissen. Es war auch eine Werbung für dieses Parfüm. „Reine Intuition.“ Auf dem Bild waren zwei Flakons zu sehen, die in smaragdgrünen Flammen standen.
Genre
Krimi
Verlag
Leseeulen-Verlag
Erscheinungsdatum