Inhalt:
Seit dem Überfall auf Sam läuft es für sie mit den Männern nicht mehr rund. Der eigene Vater begegnet ihr sehr distanziert und egal wie ansprechend sie einen Typen auch findet, näher als eine Armlänge lässt sie ihn nicht an sich heran. Schuld ist die Angst, die ihr seit damals wie Pech auf den Fersen haftet. Dabei fürchtet sie gar nicht um ihr eigenes Leben …
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Body Check
Check
von
Zoe Zander
© 2020 Zoe Zander
BodyCheck
SM-Roman
Alle Rechte vorbehalten
Cover und Covergestaltung: Jeanette Peters
Buchsatz und Textgestaltung: Zoe Zander
Korrektorat: Stefanie Brandt
Leseeulen-Verlag
Selbstverlag
Jeanette Peters
Dörwerstraße 68
44359 Dortmund
Email: Leseeulenverlag@gmx.de
Zander.Zoe@gmail.com
www.zoe-zander.at
Das Buch
Die wettkampferprobte Sam ist zu allem bereit, was ihr dabei hilft, die Karriereleiter einen Level höher zu steigen. So lässt sie sich auf einen Deal ein, um von ihrem Chef den entsprechenden Rückhalt für den beruflichen Aufstieg zu erhalten.
Kurz vorm Ziel – das berufliche und private Glück zum Greifen nah – droht nicht nur der Deal zu platzen, sondern auch all das, was sie je in ihrem Leben erreicht hat, in Schutt und Asche gelegt zu werden.
Also lässt sie sich auf einen letzten Fight ein …
Informationen zur Autorin finden Sie am Ende des Buches.
Schamlos
Schlagt mich,
beißt mich,
gibt mir vulgäre Namen.
Unter vier Augen,
an einsamen Orten,
im vertrauten Rahmen.
Disst mich,
küsst mich,
raub mir den Verstand.
Für das, was ich begehre,
wonach ich mich verehre,
ertrage ich allerhand.
Grenzen überschreiten,
Horizont erweitern,
beuge ich mich der Weisung …
An den Falschen geraten,
droht man – mich zu verraten,
für diese Art der Entgleisung.
Das Spiel wird zum Wettstreit
ausgetragen – weltweit,
und endet mit der Gewissheit:
Dem freundschaftlichen Gedanke,
dem ich all das Gute verdanke,
zu Grunde liegt falsche Eitelkeit …
Zoe Zander
Prolog
Die Nacht war noch jung und der Anblick, den ihr der junge Mann an der Bar bot, vielversprechend. Auch, wenn er immer wieder auf die Uhr sah, als würde er auf seine Freundin warten, die viel zu lange vor dem Spiegel brauchte und sich deshalb verspätete.
Alisia holte den kleinen Spiegel aus ihrer Clutch, strich sich den Schatten unter dem Lidstrich mit dem Finger weg und tupfte die roten Lippen mit dem angeblichen Lippenstiftfixierer nach, der verhindern sollte, dass die Farbe an Männerkrägen haften blieb, statt an ihren Lippen. Dann lächelte sie erneut in Richtung der Bar, aber der unbekannte Schwarm war weg.
Enttäuscht schickte sie den Blick auf die Suche, in der Hoffnung, einen ebenbürtigen Ersatz zu finden. Doch das Glück blieb ihr hold und sie fand das Original wieder. Einen gut gekleideten … Einen viel zu gut gekleideten jungen Mann, den sie knapp unter Dreißig schätzte. Sicher kein Student mehr, der vom reichen Daddy Taschengeld bekam, sondern ein Geschäftsmann, der für seinen Unterhalt selbst sorgen wusste und wer weiß, grinste sie in sich hinein, vielleicht bald auch für ihren.
Alisia verließ ihren Platz, ließ die Freundinnen zurück, ohne ihnen etwas von ihren Absichten zu verraten. Schließlich waren sie alle auf der Pirsch. Diesen Hirsch wollte sie jedoch selbst als Trophäe ihren Eltern beim Sonntagsbraten vorstellen.
Sie ließ die Bar hinter sich, drängte sich durch die ekstatisch zuckenden Körper hindurch, die die Tanzfläche für sich beanspruchten, in Eile, um die vermeintliche Beute nicht aus den Augen zu verlieren.
Notausgang?, wunderte sie sich. Vielleicht doch nicht so viel Kohle und sich als Zechpreller aus dem Staub zu machen? Wäre ein Grund, um ihn in den Wind zu schießen und sich zurück zu den anderen Jägerinnen zu begeben. Aber Alisia hatte Blut geleckt. Vielleicht könnte sie ihn zur Rede stellen und ihm drohen, ihn beim Clubbesitzer zu verpfeifen, würde er sie möglicherweise in seine Welt einführen. Gratis Cocktails und noch viel mehr … Leuchtende Reklamen namhafter Boutiquen blitzten bei dem Gedanken vor ihren Augen auf.
Sie bog um die Ecke, sah ihn, wie er die große metallene Tür leise hinter sich zumachte. Wie ein erfahrener Jäger pirschte sie sich an, lauschte an der Tür, dann machte sie diese auf.
„Päng! Päng!“, klackte es dumpf. Das Aufschlagen der tödlich getroffenen Körper am Boden war weitaus lauter.
Erst gestern stand sie vor dem Schaufenster mit der neuen Gucci Tasche, genauso starr wie jetzt. Ihr Blick streifte zuerst den einen toten Körper, dann den anderen und wanderte weiter zu dem Mann, mit dem sie in Gedanken bereits zum Altar schritt.
„Päng!“, ertönte ein drittes Mal.
1
Sam nahm den Stift in die Hand, zupfte die Kappe ab und schrieb Stichwörter an die Glaswand, derweilen sich der Konferenzraum nur langsam füllte.
Es war Mittwoch und während an allen anderen Tagen die Kollegen der Management-Ebene pünktlich erschienen, schafften es an diesem Tag der Woche die meisten erst mit einer viertel Stunde Verspätung zum Meeting.
Mittwoch war Sams Tag, Zeit für ihre Präsentationen, Auswertungen, Marketingstrategien und Berichte. Obwohl sich ihre Zahlen sehen lassen konnten und sie den meisten ihrer Kollegen stets weit voraus war, schienen ihre Erfolge und Pläne niemanden zu interessieren …
Sam hatte einen Abschluss in Yale als Jahrgangsbeste und kannte sich mit asiatischem und arabischem Immobilienmarkt dank ihrer mehrjährigen Erfahrungen in den Emiraten und Tokio bestens aus. Schlussendlich waren es mitunter gerade ihre Umsätze, die dem Unternehmen seit Jahren eine Topposition am Welt-Immobilienmarkt sicherten. Dennoch wurde sie von Kunden zuerst skeptisch beäugt, wenn sie beim ersten Geschäftstreffen auftauchte und ihnen klar wurde, dass hinter dem Namen Sam Brown eine Frau steckte.
Dabei konnte sich auch Sam sehen lassen. Sie war schlank, hatte sowohl Brüste wie auch Hintern, dazu lange Beine und eine von Natur aus goldgelbe Wellenmähne. Wenn sie mal lächelte, was viel zu selten passierte, dann präsentierte sie ihrem Gegenüber ein nicht gebleichtes und dennoch strahlendweißes akkurates Gebiss.
„Guten Morgen“, begrüßte sie alle mit Elan in der Stimme, den Blick auf die Uhr an ihrem Handgelenk gerichtet.
„Morgen“, murmelte die Ansammlung ihrer Kollegen, ein Haufen Männer in Anzügen.
Sam machte den einzigen Knopf an ihrem Blazer auf, kehrte allen den Rücken zu und fing an, mithilfe der Stichwörter das vorbereitete Konzept vorzutragen.
Hinter ihrem Rücken wurde geflüstert und getuschelt, Kurznachrichten per Handy verschickt, Emails am Tablet abgerufen und noch so einiges, was sie ahnte, aber da sie es nicht sah, nicht mit Sicherheit behaupten konnte und vor allem nicht wollte. In ihren Augen schnürten sie sich alle selbst die Schlinge um ihren Hals zu. Würden sie dann allesamt tot umfallen, müsste sie nur noch über sie steigen, anstatt mit Ihnen bei Treffen wie diesen ihre rare Zeit zu vergeuden.
„Wie kommen Sie in den Emiraten voran?“, unterbrach sie der Mann, der ihr gegenüber – am anderen Ende des langen Tisches – saß, in ihren Erläuterungen.
„Schleppend“, seufzte sie. „Dennoch bin ich überzeugt, dass ich die Verhandlungen noch diese Woche zum Abschluss bringen kann.“
„Wann fliegen Sie?“
Sam setzte dem Stift die Kappe auf und legte diesen zu ihren Unterlagen auf den Tisch. Dann streifte sie sich unauffällig mit den Fingern der linken Hand über die rechte Handfläche. „Übermorgen.“
„Übermorgen?“, klang er überrascht und nicht sonderlich erfreut. „Am Tag der Gala?“
„Dan“, entgegnete sie resolut. „Sheikh Zayed Talla ist“, sie schluckte den arroganten Schnösel runter, „ein viel beschäftigter Mann. Um als Ausländerin in Dubai ein Fundament in den Sand gießen zu dürfen, begleite ich ihn trotz meiner Sonnenallergie in die Wüste, denn seine Unterschrift auf der Baugenehmigung bringt uns Umsätze in Milliardenhöhe. Jährlich. Laut Prognosen der Agenturen für …“ Sam zwickte sich mit den Zähnen in die Unterlippe, vergrub das unangenehme Kribbeln in der Faust und fuhr fort: „Für mindestens eine Dekade.“
Dan, der CEO des Immobilienzweiges eines internationalen Unternehmens hob die Augenbrauen an. „Auch unsere Aktionäre sind viel beschäftigte Männer und in der ganzen Welt zuhause. An diesem einen Tag finden sie dennoch alle Zeit, um uns allen auf der Gala die Hand zu schütteln.“
„Dan, ich weiß, wie wichtig dieser Termin ist. Und glauben Sie mir, ich habe alles in meiner Macht stehende versucht …“
„Samantha …“
Sam klappte die Lippen zusammen und verstummte.
„Danke für die Präsentation. Wie immer – sehr überzeugend. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg in der Wüste.“ Dan stand als erster auf und verließ den Raum. Die anderen eilten ihm nach, ohne Sam Beachtung zu schenken.
Sam packte ihre Sachen zusammen, wischte die Notizen von der Glastafel ab und begab sich aus dem Konferenzraum. Sie hatte den Gang noch gar nicht richtig betreten und hörte bereits, wie in ihrem Büro das Telefon schellte. Sie eilte auf den hohen Absätzen den Gang entlang, stürzte in ihr Büro, warf alle Sachen auf den Schreibtisch und griff nach dem Hörer: „Brown?“
„Sam …“ Sie erkannte ihren Chef an der Stimme. „In mein Büro!“
Sam antwortete nicht, denn Dan hatte gleich wieder aufgelegt.
Üblicherweise zitierte er nicht selbst die Leute zu sich ins Büro. Seine drei Assistentinnen erledigten stets das Meiste für ihn. Und dazu gehörte auch das Ausrichten vom Lob oder Tadel.
Trotz des eindringlichen Tons nahm sich Sam die Zeit, um die wichtigsten Unterlagen im Safe zu verstauen. Obwohl sie nach außen alle am selben Strang zogen, war gerade ihre Abteilung nichts anderes wie ein Haifischbecken und da ging schon mal das eine oder andere verloren, wenn man sich kurz wegdrehte und dabei etwas am Tisch liegenließ.
„Ja, Dan?“, fragte sie nach, kaum, dass sie die deckenhohe, gepolsterte Tür hinter sich geschlossen hatte.
„Setzen Sie sich“, bat er ihr den Platz auf der anderen Seite des großen Schreibtisches an.
Sam kam näher und setzte sich auf den unbequemen Sessel, der sie an die Sechziger erinnerte, auch wenn sie dieses Jahrzehnt nicht erlebt hatte.
Der Mann mit den silbernen Schläfen wendete sich von der bodentiefen Fensterfront ab und sah sie an. „Wie alt sind Sie, Sam?“
Sam wusste, dass es eine rhetorische Frage war, denn er konnte dies jederzeit in ihrer Personalakte nachschlagen. Dennoch antwortete sie Folgendes: „So etwas fragt man eine Frau nicht.“
„Sie sind zweiundvierzig, sehen aus wie sechsunddreißig …“
„Auch Komplimente dieser Art finde ich unangebracht“, konterte sie umgehend.
„Sie sind nicht verheiratet. Haben Sie einen Freund? Oder eine Freundin?“
Sam schwieg, setzte jedoch eine Miene auf, die ihm deutlich signalisierte, wie zu wider ihr ein Gespräch dieser Art war.
„Gibt es wenigstens jemanden, mit dem sie regelmäßig vögeln?“
„Dan?! Ich verbiete mir sowas!“ Sam sprang auf und wollte zur Tür.
„Ich bin noch nicht fertig!“, herrschte er sie an. „Hatten Sie etwa noch nie Sex?“ Diesmal klang er … Schockiert?, fragte sich Sam.
Sam blieb stehen, als hätte man sie mit einem Zauber belegt. Ihre Hand lag auf der Rückenlehne des blattgrünen Sessels, ihr puterrotes Gesicht hatte sie zur Tür gerichtet.
„Sie sind bekannt für Ihre Arroganz, Überheblichkeit, herablassende Art und Egoismus … Ihr Weg ist mit so vielen Leichen gepflastert, dass Sie mittlerweile andauernd stolpern müssten.“
Sam wollte wieder einen Einwand einbringen, aber Dan ließ es nicht zu.
„Das bemängelt auch keiner. Sie sind ehrgeizig, gebildet und stets dem Erfolg hinterher. Sie sind engagiert und bereit, den Kunden und Geschäftspartnern rund um die Uhr überall hin zu folgen. Und …“, betonte er und verstummte, um ihre gesamte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sam drehte sich um und sah ihn an. „Ich wiederum bin bereit, Ihren Einsatz zu belohnen. Aber keiner Ihrer Kollegen lässt sich etwas von einer prüden alleinstehenden Jungfrau sagen. Egal wie attraktiv Sie sind …“
„Ich habe mit niemanden gevögelt, um diesen Job zu bekommen, und ich habe auch nicht vor, an dieser Taktik etwas zu ändern.“
„Gott bewahre! Sowas wird in diesem Haus nicht geduldet“, entgegnete er. „Merken Sie etwa nicht, dass Ihnen außer mir niemand zuhört? Dass Ihre Tabellen, Prognosen und Auswertungen die anderen genauso wenig interessieren wie Frauenfußball? Und …“ Er nickte in ihre Richtung. „Verdammt, wie wollen Sie es schaffen, ein Riesending mitten in Dubai in die Erde zu rammen, wenn sie alleine bei dem Wort Rammen rote Wangen kriegen?“
Sam wurde sich der Hitze in ihrem Gesicht bewusst.
„Das müssen Sie unbedingt abstellen!“
„Ich bin nun mal zum Arbeiten hier und nicht, damit mir unfähige Kollegen mit nur halb so hohen Verkaufszahlen wie meine auf den Hintern starren, kaum, dass ich diesen vom Sessel hebe …“
„Sie müssen das Schamgefühl ablegen. Sam, sollten Sie einmal an einem ähnlichen Platz wie meinem sitzen, wird man Ihnen ständig in den Ausschnitt starren. Und nicht nur dorthin …“
Sam atmete tief ein. Dieses Gerede war ihr zu wider. Ja, es stimmte. Zumindest teilweise. Sie war keine Jungfrau, aber ihr letzter Sex lag mindestens so lange zurück, wie die letzte Uni-Prüfung. In ihrem Alltag war kein Platz dafür. Weder für Sex, schon gar nicht für eine Beziehung. Es mangelte ihr nicht nur an der Zeit. Auch am Interesse. Die Männer, die ihr gefielen, oder eher imponierten, waren genauso jobbesessen wie sie und wenn sie Interesse zeigten, dann nur an einem flüchtigen One-Night-Stand mit entsprechend wenig Einsatz. Mehr war nicht drin. Sam konnte sich mit dem Titel Karriereschlampe noch anfreunden. Lediglich eine Schlampe zu sein, reichte ihr nicht.
„Wer an dieser Seite des Tisches sitzen will“, Dan klopfte an die massive Holzplatte, „der muss Eier in der Hose haben. Haben Sie Eier in der Hose?“
„In welcher Hose?“, flutschte ihr über die Lippen, als sie zu ihrem Bleistiftrock runter blickte.
„Ich bin überzeugt, dass von allen, die nach diesem Posten gieren, Sie die besten Voraussetzungen mitbringen. Allerdings fehlt Ihnen das entscheidende Etwas …“
„Was, etwa Eier in der Hose?“, fauchte sie aggressiv.
Dan hob daraufhin die Hand. „Sehen Sie? Sie sind impulsiv. Zwar schlagfertig, aber diese Art der Schlagfertigkeit beeindruckt nicht. Sie lassen sich schnell aus der Fassung bringen. Glauben Sie, es ist noch niemanden aufgefallen, wie Sie regelmäßig aus dem Fenster ihres Büros starren, nah den Tränen?“
Sam holte erneut tief Luft. Damit hatte sie nicht gerechnet. Auch, weil ihre glasigen Augen nichts mit der Ignoranz ihrer Kollegen zu tun hatten. Sie hätte dies Dan erklären können. Aber sie wollte nicht.
„Ja, sie sind gemein“, fuhr er ohne Unterbrechung fort, „… und sie werden es auch weiterhin bleiben. Sie müssen lernen, damit umzugehen. Hier …“ Er holte eine Visitenkarte aus der Brusttasche seine Sakkos und warf sie ihr entgegen.
Sam ließ die Lehne des geschmacklosen Sessels los, kehrte zum Tisch zurück und nahm die Karte in die Hand. In die Hand, in der es seit Morgengrauen unangenehm kribbelte, weshalb sie die Karte und alles, was sie in diese Hand nahm und festhielt, kaum spürte. „Sie können mich nicht zwingen, in ein Boot-Camp zu gehen.“
„Niemand zwingt Sie, Samantha. Ich dachte nur, Sie wären an dieser Position interessiert …“
„Das ist Erpressung.“ Sie drehte die nichtssagende Karte in den Fingern.
„Nein. Eine Empfehlung. Ich werde Sie dennoch für den Posten vorschlagen. Die Probezeit beträgt ein halbes Jahr. Sie könnten es schaffen. Aber wenn nicht, wird es keinen Posten mehr geben, auf den Sie zurückkehren könnten. Verstehen Sie mich?“
Sam schnaubte.
„Nicht, dass das Unternehmen Ihnen kein Boot-Camp zahlen würde. Aber man würde Sie dort nicht zulassen.“
„Ich habe Eier in der Hose!“, prustete sie übereilt.
„In welcher Hose?“, fragte diesmal Dan.
Sam schwieg, nagte nervös an ihrer Unterlippe. Da fuhr Dan fort: „Boot-Camps sind etwas für Muttersöhnchen. Das hier“, er zeigte auf die Karte in ihrer Hand. „Ist genau das Richtige für Sie. Davon bin ich überzeugt.“
„Und was ist das?“
„Machen Sie sich einen Termin aus und informieren Sie sich. Ich bin sicher, dass es Ihnen zusagen wird. Vielleicht nicht auf Anhieb …“
Sam horchte auf.
„Informieren Sie sich. Das ist eine Anweisung. Und nachdem Sie mit einer Unterschrift aus der Wüste zurückgekehrt sind, will ich einen Urlaubsantrag auf meinem Tisch liegen haben. Ich weiß …“, fuhr er mit erhöhter Stimme fort, weil sie erneut einwenden wollte. „In dieser Abteilung hat noch keiner Urlaub beantragt. Außer …“
„Boot-Camps. Klar“, sprang sie ihm ins Wort.
„Ich sehe, wir verstehen uns endlich. Wir sind hier fertig“, er richtete den Blick auf die aufgehende Tür. „Boris, schön, dass du die Zeit gefunden hast. Willkommen …“, ging er auch schon auf den Sam unbekannten Mann zu, der eben das Büro betrat.
Sam versteckte die Karte in der Hand und ging an dem fremden Mann vorbei, ohne ihn anzusehen und auch ohne von ihm angesehen zu werden. Schweigend verließ sie das Büro ihres Vorgesetzten und kehrte an ihren Arbeitsplatz zurück.
2
Sam, wie alle Kollegen in ihrer Position, verfügte über eine ganze Abteilung an Assistenten und diese hielt sie mit unzähligen Aufgaben auch ordentlich auf Trab. Nachdem ihr jeder von ihnen den Bericht vorgelegt hatte, womit er oder sie die letzten achtundvierzig Stunden beschäftigt war, gönnte sie sich einen Blick aus dem Fenster eines der höchsten Bürogebäude der Stadt, dann drehte sie sich der Stimme ihres Chefs zu. Er war mit seinem Gast unterwegs und zeigte diesem das Unternehmen.
Sam musterte den Fremden. Er sah jünger aus als sie. Zumindest angesichts ihres realen Alters. Sam fand ihn ansehnlich. Die vermutete Höhe seines Vermögens und die Tatsache, dass sie ihn mindestens in der gleichwertigen Position wie ihr Chef vermutete, machten ihn für sie interessant und vielleicht auch ein wenig attraktiv. Mehr aber auch nicht. Sie sah den beiden Männern noch nach, wie sie in einem der Büros ihrer männlichen Kollegen verschwanden, und kehrte dann zu ihrer Arbeit zurück.
Am späten Nachmittag hatte sie ihren Arbeitsplatz so weit leergearbeitet, dass ihr wieder die Visitenkarte in die Hand fiel, die sie von Dan bekommen hatte.
„Verflucht!“, ärgerte sie sich. Nicht, dass sie eine Ahnung hätte, was es für eine Stelle zu besetzen gab. Das spielte für sie auch keine Rolle. Es war der Ehrgeiz andere auszustechen, der sie zum Handy greifen ließ. Ebenso wie die Gier nach beruflichem Aufstieg …
„Ja?“, meldete sich eine Männerstimme.
Sam war irritiert. Auf der Karte stand nicht mehr als O-Elite und eine Telefonnummer. Keine Adresse, keine Kurzbeschreibung, um was es sich genau handelte. Und dann nur Ja zu hören zu bekommen, war ihr zu wenig. Sie war kurz davor aufzulegen. Nur die Gier … oder eher Karrieregeilheit trieb sie an, dies nicht zu tun.
„Brown. Samantha Brown. Ich würde mich gerne näher über Ihr Angebot informieren.“
„Ich erwarte Sie in einer Stunde. Erscheinen Sie pünktlich.“ Der Mann legte auf.
„Ha … Hallo?“, fragte sie ungläubig. „Na sowas!“, beäugte sie das Handy, als wollte sie sicher gehen, es sich nicht nur einzubilden. Und dann kündigte der Ton auch schon eine Nachricht an. Sam öffnete diese. „O-kay“, fühlte sie sich … überfordert. Üblicherweise war sie es, die anderen mitten im Gespräch auflegte, oder Geschäftstreffen abbrach. Nicht, dass sie nie Menschen begegnet wäre, die auch zu diesem Schritt bereit gewesen wären, aber sie war eben schneller.
Sam betrachtete die Adresse, die ihr per SMS zugeschickt wurde und sah auf die Uhr. „Ob sich das ausgeht?“, prüfte sie den einen Stapel Unterlagen, der noch vor ihr lag und machte sich an die Arbeit.
Eigentlich war ihr von Anfang an klar, dass sie den Termin nie im Leben einhalten konnte. Doch der Ehrgeiz oder eher die Panik, von Dan als Versagerin und als des Postens unwürdig angesehen zu werden, trieben sie dazu, schon nach fünf Minuten den Stapel beiseitezuschieben und sich ein Taxi zu bestellen, sodass sie mit lediglich fünf Minuten Verspätung im Aufzug eines Bürogebäudes am anderen Ende der Stadt stand und wartete, bis die Aufzugstür aufging …
„Sie sind spät dran!“, ertönte ihr als Empfang.
„Der Verkehr …“
„Verspätungen, egal aus welchem Grund, dulden wir nicht.“
„Hm“, konterte Sam wortkarg.
„Setzen Sie sich“, der Mann bot ihr einen schlichten Stuhl an. Dieser quietschte, als Sam sich darauf gesetzt hatte und machte auch sonst den Eindruck, als sollte er jeden Augenblick auseinanderfallen. Der Schreibtisch und der Stuhl des Mannes sahen hingegen aus wie Einzelstücke nach Maß.
„Was kann ich für Sie tun?“, fragte der Mann nach, während er sie mit den Augen abtastete. Sam legte sich ihre Handtasche in den Schoß, schlug die Beine übereinander und kreuzte sogar die Arme vor der Brust.
„Mein Chef schickt mich, er …“
„Meist kommen sie von sich aus. Oder werden von ihren Ehemännern oder Partnern geschickt. Nur selten sind es die Vorgesetzten und die auch nur dann, wenn sie bestimmte Absichten haben.“
„Ja, die hat mein Chef auch. Er meint …“
„Offenkundig, dass sie andere nicht aussprechen lassen. Aber das soll das geringste Problem sein.“
Sam verstummte. Sie konnte sich auf die Worte des Mannes keinen Reim machen und es fiel ihr tatsächlich auch nichts weiter ein, was sie noch sagen konnte. Vor allem nicht, ohne unterbrochen zu werden.
Der Mann atmete absichtlich tief durch. Sam wartete nur noch darauf, welchen abwertenden Spruch er diesmal rauspfeffern würde. Doch er schwieg noch eine Weile, als ob er genau das Gleiche von ihr erwarten würde.
„Gut“, beendete er die Stille. Er klang zufrieden. „Das Training, das wir anbieten, besteht aus mehreren Etappen. Die Phase eins dauert vierzehn Tage und geht 24/7 …“
„24/7?“, konnte sie sich nicht mehr zurückhalten.
„In dieser Phase haben Sie keine Zeit für Verpflichtungen, denen Sie üblicherweise nachgehen.“
Sam öffnete bereits den Mund, um weiter unaufgefordert Fragen zu stellen, aber der Mann fuhr ohne Unterbrechung fort. „Phase zwei können Sie von Zuhause absolvieren. Allerdings werden Sie auch in dieser Zeit keinen anderen Verpflichtungen nachkommen können, um dem Training rund um die Uhr zur Verfügung zu stehen. Sollten Sie tatsächlich Phase drei erreichen, was in gerade sehr anzweifle …“
Sam klappte den Mund zu, was ein lautes Geräusch verursachte.
„Phase drei wird an Ihren Alltag angepasst. Nur, wenn alle drei Phasen erfolgreich zu Ende geführt werden, gilt auch Ihre Ausbildung als abgeschlossen.“
„Gibt es etwa ein Diplom?“, ätzte sie.
„Mehr als nur ein läppisches Diplom“, sagte er. Seine Augen glänzten dabei eigenartig.
„Sie sagten nicht, wie lange die Phase zwei dauert. Ich müsste mir unter Umständen weiteren Urlaub nehmen …“
„Sie haben noch nicht einmal mit der ersten Phase des Trainings begonnen. So lange Sie diese nicht zur vollsten Zufriedenheit der Trainer absolviert haben, brauchen Sie sich keine Gedanken über die Fortsetzung des Trainings machen.“
„O-kay“, sagte Sam deutlich verunsichert. „Und was kostet das Ganze?“
„Das erfahren Sie bei vorzeigem Ende. Sollten Sie – was ich mir im Augenblick kaum vorstellen kann“, betonte er so sehr, dass Sam genervt die Augen verdrehte, „alle drei Etappen hinter sich bringen, wird Ihr Konto nicht mit den Unkosten belastet.“
„Ich weiß, die Firma kommt auf jeden Fall dafür auf, aber es würde mich dennoch interessieren …“
Doch der Mann gab ihr darauf vorerst keine Antwort, lehnte sich lediglich in seinem Stuhl zurück und musterte sie wieder auf eine Art und Weise, bei der sich Sam am liebsten angewidert wegdrehen würde.
„Was haben Sie gesagt, wer Sie hierher geschickt hat?“
„Mein Vorgesetzter …“
„Und dem ist es tatsächlich egal, wenn sie versagen?“
So lange vom Abbruch die Rede war, störte es sie nicht. Aber das Wort versagen klang für sie wie Börsencrash. Daher schwieg sie diesmal eine Weile, als würde sie über die ganze Angelegenheit nachdenken.
„Kann ich mir so ein Training ansehen?“, fragte sie erst nach einer ganzen Weile.
„Nein.“
„Nein?“, rauschte in ihrem Gehörgang. „Ein informatives Gespräch stelle ich mir anders vor … Ich muss mich zwei Wochen von der Arbeit fernhalten, was mich enorm zurückwirft und dem Unternehmen Gewinneinbußen beschert …“
„Hatten Sie nicht gesagt, Ihr Chef schickt Sie? Das klingt danach, als hielt er ihre Ausbildung für wichtiger als die Zahlen unter irgendwelchem Strich. Und auch mir scheint, dass Sie dieses Training ziemlich nötig haben“, bemerkte er in einem Ton, bei dem es Sam kalt den Rücken runter lief.
„Scheint tatsächlich so“, bemerkte sie leise, auch wenn sie damit Dans Absichten und nicht irgendwelche Notwendigkeiten meinte.
„Sie müssen sich nicht gleich entscheiden. Allerdings brauchen wir vor dem Beginn der Ausbildung einen gründlichen medizinischen Check. Schließlich tragen wir viel Verantwortung …“ Der Mann holte ein Blatt Papier und legte es auf den Tisch. Sam war genötigt sich vorzubeugen, um es in die Hand nehmen zu können.
„Zahnarzt?“
„Vierzehn Tage rund um die Uhr. Da haben wir keine Zeit, uns mit Zahnschmerzen zu beschäftigen.“
„Gynäkologe?“
„Wir wollen sicher gehen, dass keine Schwangerschaft vorliegt.“
„Da steht – Bestätigung eventueller Jungfräulichkeit …“
„Wir müssen alles wissen.“
Sam schluckte. „Für was soll das gut sein?“
„Das werden Sie schon erfahren.“
„Gut“, seufzte sie und wollte aufstehen.
„Wir akzeptieren nur Befunde dieser Arztpraxen.“ Er legte ihr ein weiteres Blatt Papier auf den Tisch.
„Eh klar“, seufzte sie erneut, da auf der Liste ausschließlich männliche Ärzte aufgelistet standen. „Ich melde mich dann …“, wollte sie schon gehen.
„Wir sind noch nicht fertig.“
Sam stockte, drehte sich zögernd um. „Nicht? Muss ich noch etwas wissen?“, spottete sie.
„Ausziehen!“
„Was?“, lachte sie entsetzt. Aber der Mann sagte nichts mehr, tastete sie nur wieder mit den Blick ab.
Sam überlegte. Immer wieder kamen ihr die Worte ihres Chefs in den Sinn. Sie wollte den Job unbedingt und ihr war schon lange klar, dass sie alleine mit Wissen, Erfahrung und Ehrgeiz die Karriereleiter nicht weiter hinaufkommen würde. Bislang hatte sie auf ein Wunder gehofft. Nun hatte sich ihr eine andere Option eröffnet. Sam war sich jedoch nicht sicher, ob sie bereit war, diesen Weg zu gehen.
„Was solls …“, sprang sie über die unsichtbare Grenze. Sie legte ihre Handtasche auf dem klapperigen Stuhl ab und fing an, sich zu entkleiden. Nachdem sie sich bis zur Unterwäsche entblößte, stellte sie sich selbstbewusst dem Blick des Mannes.
„Weiter!“, herrschte er sie an.
Sam spürte, wie ihr die innere Hitze die Wangen rot färbte. Das hatte eine Wirkung auf ihn, doch Sam wusste mit dieser Veränderung in seinem Gemüt nichts anzufangen. Sie brauchte eine Weile, ehe sie ihren Anstand, oder eher anerzogene Hemmungen überwand und sich auch der Unterwäsche entledigte.
Der Mann stand auf und kam auf sie zu. Er nahm sie bei den Händen, die sie sich über die Scham und die Brüste gelegt hatte, und führte ihr diese parallel zum Körper, damit er alles von ihr sehen konnte. Während er um sie herum ging, um sie von allen Seiten zu betrachten, legte er ungeniert und ohne ihre ausdrückliche Erlaubnis die Hand auf die Schulter, dann auf den Oberarm, auf den Rücken und ganz zum Schluss auf die Pobacke.
„Ich rate Ihnen, sich vor den Untersuchungen zu rasieren.“
„Das wird wohl einem Zahnarzt egal sein können“, konterte sie.
„Ich rate Ihnen, meinen Rat anzunehmen. Wir behalten uns vor, Ihre Ausbildung jederzeit abzubrechen, sollten Ihr Erscheinungsbild, Ihr Verhalten und vor allem Ihre Fortschritte zu wünschen übrig lassen.“ Der Mann kehrte auf seinen Platz zurück und sagte ab da kein Wort mehr. Dennoch sah er ihr aufmerksam zu, wie sie sich wieder anzog und dann reschen Schrittes sein Büro verließ.
3
An diesem Tag war Sam noch ungewohnt spät im Büro. Lange Zeit stand sie vor dem Fenster und betrachtete die verschneite schlafende Metropole, überlegend, ob ihr der neue Posten das alles, was sie noch nicht mal erahnen konnte, wert war.
Obwohl der Mann, nach dessen Namen sie vergessen hatte zu fragen, von ihr nicht mehr zu sehen bekommen hatte, wie eine x-beliebige Person an einem FKK-Strand, fühlte sie sich – vergewaltigt. Nicht körperlich – aber ihr Ego wand sich gedemütigt am Boden und das rief ganz sonderbare Gefühle und Erinnerungen in ihr hervor.
Sie dachte an früher, an ihre Trainings. An die Sprüche des Trainers, der sie wie ein Drill-Sergeant niedermachte und damit antrieb, weit über das Maß des Erträglichen zu gehen.
Sogar bei der bloßen Erinnerung an diese Zeiten beschleunigten ihr Puls und auch die Atmung. Sam spürte die Energie, die dadurch in ihrem Inneren mobilisiert wurde.
Ebenso einen Anflug von Erregung …
4
„Ich hoffe sehr, der Ausritt hat Ihnen gefallen“, begegnete ihr der Sheikh mit einem aufgesetzten Lächeln.
„Es war eine Erfahrung wert“, brummte sie. Gerade so konnte sie sich zurückhalten, um sich nicht an den Hintern zu fassen, dem der Kamelritt alles andere, nur nicht gut getan hatte.
„Ich erwarte mir viel von unserer Zusammenarbeit.“
„Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen.“
Der Sheikh drehte sich ohne ein Wort zum Abschied um und ließ sie mit seinem Assistenten alleine zurück.
„Bringen Sie mich zum Flughafen?“
Der Mann nickte.
„Meine Koffer stehen in der Lobby“, antwortete sie in ihrer gewohnt arroganten Tonlage und ging vor, ohne sich weiter um ihr Gepäck zu kümmern. Schließlich bewahrte sie das Allerwichtigste in ihrer Handtasche auf. Alles andere war ersetzbar. Das unterschriebene Dokument wollte sie notfalls mit ihrem Leben beschützen.
5
„Sam!“ Dan empfing sie mit weit offenen Armen. Sie wusste genau, dass er nicht sie in diese schließen wollte, sondern nur den Vertrag. „Das ist …“ Er blätterte das mehrseitige Dokument durch. „Der arabische Immobilienmarkt gehört bald uns!“ Gerade, dass er nicht einen Tanz um den Schreibtisch aufführte, wie um einen Hexenkessel. Doch dann, von einer Sekunde auf die andere wurde er ernst. „Was ist mit unserer Abmachung?“
„Dan, ich …“ Sam war frisch geduscht und obwohl sie immer noch das Gefühl hatte, ihr würden Wüstensandkörner zwischen den Zehen kleben, waren es die unangebrachten Blicke des namenlosen Mannes, die ihr immer noch ein Würgen entlocken konnten.
„Haben Sie Ihre Eier etwa in der Wüste zurückgelassen?“, verspottete er sie.
Sam verdrehte die Augen. „Gut. Ich brauche vorerst vierzehn Tage. Was danach kommt, habe ich noch nicht in Erfahrung gebracht. Kann sein, dass es dann nochmals zwei Wochen werden.“
„Ich unterschreibe jeden Antrag. Verlieren Sie keine Zeit.“
Mist!, knurrte sie hinter zusammengepressten Lippen.
Dan kehrte zu seinem Schreibtisch zurück und senkte den Blick zu der Korrespondenz, die darauf lag, woraus Sam das Ende ihrer Unterhaltung ableitete.
Sie ging wieder in ihr Büro und wühlte in ihrer Handtasche nach der Visitenkarte. Dann wählte sie erneut die Nummer der ominösen O-Elite.
„Samantha Brown. Wann kann ich mit dem Training anfangen?“, erkundigte sie sich, kaum, dass sie das Ja zu hören bekommen hatte.
„Sie bekommen von uns drei Tage Zeit für das Einholen aller Befunde. Wir sehen uns somit am Samstag um 5.00 Uhr in der Früh. Und erscheinen Sie mit hochgestecktem Haar oder zumindest einem Dutt, sonst verpassen wir Ihnen eine schicke Kurzhaarfrisur.“
Sam grinste zynisch. „Gibt es sowas wie eine Packliste? Etwas, was unbedingt mitmuss?“
„Bringen Sie sämtliche Befunde mit. Alles andere ist reiner Ballast.“
„Wie …?“ Sam vernahm den üblichen Piepton. Der Mann hatte schon wieder aufgelegt. Wie soll ich das verstehen?, fragte sie sich selbst.
Sie suchte eine Weile nach der Liste der Praxen und als sie diese in einem der Unterlagenstapel gefunden hatte, rief sie auch schon den ersten Arzt an, um sich einen Termin auszumachen. Danach las sie sich das Verzeichnis all der geforderten Untersuchungen durch und stellte fest, mindestens drei Ärztetermine am Tag absolvieren zu müssen, um am Samstag mit dem Training, oder Ausbildung, oder was auch immer sich hinter dem Namen O-Elite verbarg, anfangen zu können.
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Zoe Zander
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Die wettkampferprobte Sam ist zu allem bereit, was ihr dabei hilft, die Karriereleiter einen Level höher zu steigen. So lässt sie sich auf einen Deal ein, um von ihrem Chef den entsprechenden Rückhalt für den beruflichen Aufstieg zu erhalten.
Kurz vorm Ziel – das berufliche und private Glück zum Greifen nah – droht nicht nur der Deal zu platzen, sondern auch all das, was sie je in ihrem Leben erreicht hat, in Schutt und Asche gelegt zu werden.
Also lässt sie sich auf einen letzten Fight ein …
Informationen zur Autorin finden Sie am Ende des Buches.
Schamlos
Schlagt mich,
beißt mich,
gibt mir vulgäre Namen.
Unter vier Augen,
an einsamen Orten,
im vertrauten Rahmen.
Disst mich,
küsst mich,
raub mir den Verstand.
Für das, was ich begehre,
wonach ich mich verehre,
ertrage ich allerhand.
Grenzen überschreiten,
Horizont erweitern,
beuge ich mich der Weisung …
An den Falschen geraten,
droht man – mich zu verraten,
für diese Art der Entgleisung.
Das Spiel wird zum Wettstreit
ausgetragen – weltweit,
und endet mit der Gewissheit:
Dem freundschaftlichen Gedanke,
dem ich all das Gute verdanke,
zu Grunde liegt falsche Eitelkeit …
Zoe Zander
Prolog
Die Nacht war noch jung und der Anblick, den ihr der junge Mann an der Bar bot, vielversprechend. Auch, wenn er immer wieder auf die Uhr sah, als würde er auf seine Freundin warten, die viel zu lange vor dem Spiegel brauchte und sich deshalb verspätete.
Alisia holte den kleinen Spiegel aus ihrer Clutch, strich sich den Schatten unter dem Lidstrich mit dem Finger weg und tupfte die roten Lippen mit dem angeblichen Lippenstiftfixierer nach, der verhindern sollte, dass die Farbe an Männerkrägen haften blieb, statt an ihren Lippen. Dann lächelte sie erneut in Richtung der Bar, aber der unbekannte Schwarm war weg.
Enttäuscht schickte sie den Blick auf die Suche, in der Hoffnung, einen ebenbürtigen Ersatz zu finden. Doch das Glück blieb ihr hold und sie fand das Original wieder. Einen gut gekleideten … Einen viel zu gut gekleideten jungen Mann, den sie knapp unter Dreißig schätzte. Sicher kein Student mehr, der vom reichen Daddy Taschengeld bekam, sondern ein Geschäftsmann, der für seinen Unterhalt selbst sorgen wusste und wer weiß, grinste sie in sich hinein, vielleicht bald auch für ihren.
Alisia verließ ihren Platz, ließ die Freundinnen zurück, ohne ihnen etwas von ihren Absichten zu verraten. Schließlich waren sie alle auf der Pirsch. Diesen Hirsch wollte sie jedoch selbst als Trophäe ihren Eltern beim Sonntagsbraten vorstellen.
Sie ließ die Bar hinter sich, drängte sich durch die ekstatisch zuckenden Körper hindurch, die die Tanzfläche für sich beanspruchten, in Eile, um die vermeintliche Beute nicht aus den Augen zu verlieren.
Notausgang?, wunderte sie sich. Vielleicht doch nicht so viel Kohle und sich als Zechpreller aus dem Staub zu machen? Wäre ein Grund, um ihn in den Wind zu schießen und sich zurück zu den anderen Jägerinnen zu begeben. Aber Alisia hatte Blut geleckt. Vielleicht könnte sie ihn zur Rede stellen und ihm drohen, ihn beim Clubbesitzer zu verpfeifen, würde er sie möglicherweise in seine Welt einführen. Gratis Cocktails und noch viel mehr … Leuchtende Reklamen namhafter Boutiquen blitzten bei dem Gedanken vor ihren Augen auf.
Sie bog um die Ecke, sah ihn, wie er die große metallene Tür leise hinter sich zumachte. Wie ein erfahrener Jäger pirschte sie sich an, lauschte an der Tür, dann machte sie diese auf.
„Päng! Päng!“, klackte es dumpf. Das Aufschlagen der tödlich getroffenen Körper am Boden war weitaus lauter.
Erst gestern stand sie vor dem Schaufenster mit der neuen Gucci Tasche, genauso starr wie jetzt. Ihr Blick streifte zuerst den einen toten Körper, dann den anderen und wanderte weiter zu dem Mann, mit dem sie in Gedanken bereits zum Altar schritt.
„Päng!“, ertönte ein drittes Mal.
1
Sam nahm den Stift in die Hand, zupfte die Kappe ab und schrieb Stichwörter an die Glaswand, derweilen sich der Konferenzraum nur langsam füllte.
Es war Mittwoch und während an allen anderen Tagen die Kollegen der Management-Ebene pünktlich erschienen, schafften es an diesem Tag der Woche die meisten erst mit einer viertel Stunde Verspätung zum Meeting.
Mittwoch war Sams Tag, Zeit für ihre Präsentationen, Auswertungen, Marketingstrategien und Berichte. Obwohl sich ihre Zahlen sehen lassen konnten und sie den meisten ihrer Kollegen stets weit voraus war, schienen ihre Erfolge und Pläne niemanden zu interessieren …
Sam hatte einen Abschluss in Yale als Jahrgangsbeste und kannte sich mit asiatischem und arabischem Immobilienmarkt dank ihrer mehrjährigen Erfahrungen in den Emiraten und Tokio bestens aus. Schlussendlich waren es mitunter gerade ihre Umsätze, die dem Unternehmen seit Jahren eine Topposition am Welt-Immobilienmarkt sicherten. Dennoch wurde sie von Kunden zuerst skeptisch beäugt, wenn sie beim ersten Geschäftstreffen auftauchte und ihnen klar wurde, dass hinter dem Namen Sam Brown eine Frau steckte.
Dabei konnte sich auch Sam sehen lassen. Sie war schlank, hatte sowohl Brüste wie auch Hintern, dazu lange Beine und eine von Natur aus goldgelbe Wellenmähne. Wenn sie mal lächelte, was viel zu selten passierte, dann präsentierte sie ihrem Gegenüber ein nicht gebleichtes und dennoch strahlendweißes akkurates Gebiss.
„Guten Morgen“, begrüßte sie alle mit Elan in der Stimme, den Blick auf die Uhr an ihrem Handgelenk gerichtet.
„Morgen“, murmelte die Ansammlung ihrer Kollegen, ein Haufen Männer in Anzügen.
Sam machte den einzigen Knopf an ihrem Blazer auf, kehrte allen den Rücken zu und fing an, mithilfe der Stichwörter das vorbereitete Konzept vorzutragen.
Hinter ihrem Rücken wurde geflüstert und getuschelt, Kurznachrichten per Handy verschickt, Emails am Tablet abgerufen und noch so einiges, was sie ahnte, aber da sie es nicht sah, nicht mit Sicherheit behaupten konnte und vor allem nicht wollte. In ihren Augen schnürten sie sich alle selbst die Schlinge um ihren Hals zu. Würden sie dann allesamt tot umfallen, müsste sie nur noch über sie steigen, anstatt mit Ihnen bei Treffen wie diesen ihre rare Zeit zu vergeuden.
„Wie kommen Sie in den Emiraten voran?“, unterbrach sie der Mann, der ihr gegenüber – am anderen Ende des langen Tisches – saß, in ihren Erläuterungen.
„Schleppend“, seufzte sie. „Dennoch bin ich überzeugt, dass ich die Verhandlungen noch diese Woche zum Abschluss bringen kann.“
„Wann fliegen Sie?“
Sam setzte dem Stift die Kappe auf und legte diesen zu ihren Unterlagen auf den Tisch. Dann streifte sie sich unauffällig mit den Fingern der linken Hand über die rechte Handfläche. „Übermorgen.“
„Übermorgen?“, klang er überrascht und nicht sonderlich erfreut. „Am Tag der Gala?“
„Dan“, entgegnete sie resolut. „Sheikh Zayed Talla ist“, sie schluckte den arroganten Schnösel runter, „ein viel beschäftigter Mann. Um als Ausländerin in Dubai ein Fundament in den Sand gießen zu dürfen, begleite ich ihn trotz meiner Sonnenallergie in die Wüste, denn seine Unterschrift auf der Baugenehmigung bringt uns Umsätze in Milliardenhöhe. Jährlich. Laut Prognosen der Agenturen für …“ Sam zwickte sich mit den Zähnen in die Unterlippe, vergrub das unangenehme Kribbeln in der Faust und fuhr fort: „Für mindestens eine Dekade.“
Dan, der CEO des Immobilienzweiges eines internationalen Unternehmens hob die Augenbrauen an. „Auch unsere Aktionäre sind viel beschäftigte Männer und in der ganzen Welt zuhause. An diesem einen Tag finden sie dennoch alle Zeit, um uns allen auf der Gala die Hand zu schütteln.“
„Dan, ich weiß, wie wichtig dieser Termin ist. Und glauben Sie mir, ich habe alles in meiner Macht stehende versucht …“
„Samantha …“
Sam klappte die Lippen zusammen und verstummte.
„Danke für die Präsentation. Wie immer – sehr überzeugend. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg in der Wüste.“ Dan stand als erster auf und verließ den Raum. Die anderen eilten ihm nach, ohne Sam Beachtung zu schenken.
Sam packte ihre Sachen zusammen, wischte die Notizen von der Glastafel ab und begab sich aus dem Konferenzraum. Sie hatte den Gang noch gar nicht richtig betreten und hörte bereits, wie in ihrem Büro das Telefon schellte. Sie eilte auf den hohen Absätzen den Gang entlang, stürzte in ihr Büro, warf alle Sachen auf den Schreibtisch und griff nach dem Hörer: „Brown?“
„Sam …“ Sie erkannte ihren Chef an der Stimme. „In mein Büro!“
Sam antwortete nicht, denn Dan hatte gleich wieder aufgelegt.
Üblicherweise zitierte er nicht selbst die Leute zu sich ins Büro. Seine drei Assistentinnen erledigten stets das Meiste für ihn. Und dazu gehörte auch das Ausrichten vom Lob oder Tadel.
Trotz des eindringlichen Tons nahm sich Sam die Zeit, um die wichtigsten Unterlagen im Safe zu verstauen. Obwohl sie nach außen alle am selben Strang zogen, war gerade ihre Abteilung nichts anderes wie ein Haifischbecken und da ging schon mal das eine oder andere verloren, wenn man sich kurz wegdrehte und dabei etwas am Tisch liegenließ.
„Ja, Dan?“, fragte sie nach, kaum, dass sie die deckenhohe, gepolsterte Tür hinter sich geschlossen hatte.
„Setzen Sie sich“, bat er ihr den Platz auf der anderen Seite des großen Schreibtisches an.
Sam kam näher und setzte sich auf den unbequemen Sessel, der sie an die Sechziger erinnerte, auch wenn sie dieses Jahrzehnt nicht erlebt hatte.
Der Mann mit den silbernen Schläfen wendete sich von der bodentiefen Fensterfront ab und sah sie an. „Wie alt sind Sie, Sam?“
Sam wusste, dass es eine rhetorische Frage war, denn er konnte dies jederzeit in ihrer Personalakte nachschlagen. Dennoch antwortete sie Folgendes: „So etwas fragt man eine Frau nicht.“
„Sie sind zweiundvierzig, sehen aus wie sechsunddreißig …“
„Auch Komplimente dieser Art finde ich unangebracht“, konterte sie umgehend.
„Sie sind nicht verheiratet. Haben Sie einen Freund? Oder eine Freundin?“
Sam schwieg, setzte jedoch eine Miene auf, die ihm deutlich signalisierte, wie zu wider ihr ein Gespräch dieser Art war.
„Gibt es wenigstens jemanden, mit dem sie regelmäßig vögeln?“
„Dan?! Ich verbiete mir sowas!“ Sam sprang auf und wollte zur Tür.
„Ich bin noch nicht fertig!“, herrschte er sie an. „Hatten Sie etwa noch nie Sex?“ Diesmal klang er … Schockiert?, fragte sich Sam.
Sam blieb stehen, als hätte man sie mit einem Zauber belegt. Ihre Hand lag auf der Rückenlehne des blattgrünen Sessels, ihr puterrotes Gesicht hatte sie zur Tür gerichtet.
„Sie sind bekannt für Ihre Arroganz, Überheblichkeit, herablassende Art und Egoismus … Ihr Weg ist mit so vielen Leichen gepflastert, dass Sie mittlerweile andauernd stolpern müssten.“
Sam wollte wieder einen Einwand einbringen, aber Dan ließ es nicht zu.
„Das bemängelt auch keiner. Sie sind ehrgeizig, gebildet und stets dem Erfolg hinterher. Sie sind engagiert und bereit, den Kunden und Geschäftspartnern rund um die Uhr überall hin zu folgen. Und …“, betonte er und verstummte, um ihre gesamte Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sam drehte sich um und sah ihn an. „Ich wiederum bin bereit, Ihren Einsatz zu belohnen. Aber keiner Ihrer Kollegen lässt sich etwas von einer prüden alleinstehenden Jungfrau sagen. Egal wie attraktiv Sie sind …“
„Ich habe mit niemanden gevögelt, um diesen Job zu bekommen, und ich habe auch nicht vor, an dieser Taktik etwas zu ändern.“
„Gott bewahre! Sowas wird in diesem Haus nicht geduldet“, entgegnete er. „Merken Sie etwa nicht, dass Ihnen außer mir niemand zuhört? Dass Ihre Tabellen, Prognosen und Auswertungen die anderen genauso wenig interessieren wie Frauenfußball? Und …“ Er nickte in ihre Richtung. „Verdammt, wie wollen Sie es schaffen, ein Riesending mitten in Dubai in die Erde zu rammen, wenn sie alleine bei dem Wort Rammen rote Wangen kriegen?“
Sam wurde sich der Hitze in ihrem Gesicht bewusst.
„Das müssen Sie unbedingt abstellen!“
„Ich bin nun mal zum Arbeiten hier und nicht, damit mir unfähige Kollegen mit nur halb so hohen Verkaufszahlen wie meine auf den Hintern starren, kaum, dass ich diesen vom Sessel hebe …“
„Sie müssen das Schamgefühl ablegen. Sam, sollten Sie einmal an einem ähnlichen Platz wie meinem sitzen, wird man Ihnen ständig in den Ausschnitt starren. Und nicht nur dorthin …“
Sam atmete tief ein. Dieses Gerede war ihr zu wider. Ja, es stimmte. Zumindest teilweise. Sie war keine Jungfrau, aber ihr letzter Sex lag mindestens so lange zurück, wie die letzte Uni-Prüfung. In ihrem Alltag war kein Platz dafür. Weder für Sex, schon gar nicht für eine Beziehung. Es mangelte ihr nicht nur an der Zeit. Auch am Interesse. Die Männer, die ihr gefielen, oder eher imponierten, waren genauso jobbesessen wie sie und wenn sie Interesse zeigten, dann nur an einem flüchtigen One-Night-Stand mit entsprechend wenig Einsatz. Mehr war nicht drin. Sam konnte sich mit dem Titel Karriereschlampe noch anfreunden. Lediglich eine Schlampe zu sein, reichte ihr nicht.
„Wer an dieser Seite des Tisches sitzen will“, Dan klopfte an die massive Holzplatte, „der muss Eier in der Hose haben. Haben Sie Eier in der Hose?“
„In welcher Hose?“, flutschte ihr über die Lippen, als sie zu ihrem Bleistiftrock runter blickte.
„Ich bin überzeugt, dass von allen, die nach diesem Posten gieren, Sie die besten Voraussetzungen mitbringen. Allerdings fehlt Ihnen das entscheidende Etwas …“
„Was, etwa Eier in der Hose?“, fauchte sie aggressiv.
Dan hob daraufhin die Hand. „Sehen Sie? Sie sind impulsiv. Zwar schlagfertig, aber diese Art der Schlagfertigkeit beeindruckt nicht. Sie lassen sich schnell aus der Fassung bringen. Glauben Sie, es ist noch niemanden aufgefallen, wie Sie regelmäßig aus dem Fenster ihres Büros starren, nah den Tränen?“
Sam holte erneut tief Luft. Damit hatte sie nicht gerechnet. Auch, weil ihre glasigen Augen nichts mit der Ignoranz ihrer Kollegen zu tun hatten. Sie hätte dies Dan erklären können. Aber sie wollte nicht.
„Ja, sie sind gemein“, fuhr er ohne Unterbrechung fort, „… und sie werden es auch weiterhin bleiben. Sie müssen lernen, damit umzugehen. Hier …“ Er holte eine Visitenkarte aus der Brusttasche seine Sakkos und warf sie ihr entgegen.
Sam ließ die Lehne des geschmacklosen Sessels los, kehrte zum Tisch zurück und nahm die Karte in die Hand. In die Hand, in der es seit Morgengrauen unangenehm kribbelte, weshalb sie die Karte und alles, was sie in diese Hand nahm und festhielt, kaum spürte. „Sie können mich nicht zwingen, in ein Boot-Camp zu gehen.“
„Niemand zwingt Sie, Samantha. Ich dachte nur, Sie wären an dieser Position interessiert …“
„Das ist Erpressung.“ Sie drehte die nichtssagende Karte in den Fingern.
„Nein. Eine Empfehlung. Ich werde Sie dennoch für den Posten vorschlagen. Die Probezeit beträgt ein halbes Jahr. Sie könnten es schaffen. Aber wenn nicht, wird es keinen Posten mehr geben, auf den Sie zurückkehren könnten. Verstehen Sie mich?“
Sam schnaubte.
„Nicht, dass das Unternehmen Ihnen kein Boot-Camp zahlen würde. Aber man würde Sie dort nicht zulassen.“
„Ich habe Eier in der Hose!“, prustete sie übereilt.
„In welcher Hose?“, fragte diesmal Dan.
Sam schwieg, nagte nervös an ihrer Unterlippe. Da fuhr Dan fort: „Boot-Camps sind etwas für Muttersöhnchen. Das hier“, er zeigte auf die Karte in ihrer Hand. „Ist genau das Richtige für Sie. Davon bin ich überzeugt.“
„Und was ist das?“
„Machen Sie sich einen Termin aus und informieren Sie sich. Ich bin sicher, dass es Ihnen zusagen wird. Vielleicht nicht auf Anhieb …“
Sam horchte auf.
„Informieren Sie sich. Das ist eine Anweisung. Und nachdem Sie mit einer Unterschrift aus der Wüste zurückgekehrt sind, will ich einen Urlaubsantrag auf meinem Tisch liegen haben. Ich weiß …“, fuhr er mit erhöhter Stimme fort, weil sie erneut einwenden wollte. „In dieser Abteilung hat noch keiner Urlaub beantragt. Außer …“
„Boot-Camps. Klar“, sprang sie ihm ins Wort.
„Ich sehe, wir verstehen uns endlich. Wir sind hier fertig“, er richtete den Blick auf die aufgehende Tür. „Boris, schön, dass du die Zeit gefunden hast. Willkommen …“, ging er auch schon auf den Sam unbekannten Mann zu, der eben das Büro betrat.
Sam versteckte die Karte in der Hand und ging an dem fremden Mann vorbei, ohne ihn anzusehen und auch ohne von ihm angesehen zu werden. Schweigend verließ sie das Büro ihres Vorgesetzten und kehrte an ihren Arbeitsplatz zurück.
2
Sam, wie alle Kollegen in ihrer Position, verfügte über eine ganze Abteilung an Assistenten und diese hielt sie mit unzähligen Aufgaben auch ordentlich auf Trab. Nachdem ihr jeder von ihnen den Bericht vorgelegt hatte, womit er oder sie die letzten achtundvierzig Stunden beschäftigt war, gönnte sie sich einen Blick aus dem Fenster eines der höchsten Bürogebäude der Stadt, dann drehte sie sich der Stimme ihres Chefs zu. Er war mit seinem Gast unterwegs und zeigte diesem das Unternehmen.
Sam musterte den Fremden. Er sah jünger aus als sie. Zumindest angesichts ihres realen Alters. Sam fand ihn ansehnlich. Die vermutete Höhe seines Vermögens und die Tatsache, dass sie ihn mindestens in der gleichwertigen Position wie ihr Chef vermutete, machten ihn für sie interessant und vielleicht auch ein wenig attraktiv. Mehr aber auch nicht. Sie sah den beiden Männern noch nach, wie sie in einem der Büros ihrer männlichen Kollegen verschwanden, und kehrte dann zu ihrer Arbeit zurück.
Am späten Nachmittag hatte sie ihren Arbeitsplatz so weit leergearbeitet, dass ihr wieder die Visitenkarte in die Hand fiel, die sie von Dan bekommen hatte.
„Verflucht!“, ärgerte sie sich. Nicht, dass sie eine Ahnung hätte, was es für eine Stelle zu besetzen gab. Das spielte für sie auch keine Rolle. Es war der Ehrgeiz andere auszustechen, der sie zum Handy greifen ließ. Ebenso wie die Gier nach beruflichem Aufstieg …
„Ja?“, meldete sich eine Männerstimme.
Sam war irritiert. Auf der Karte stand nicht mehr als O-Elite und eine Telefonnummer. Keine Adresse, keine Kurzbeschreibung, um was es sich genau handelte. Und dann nur Ja zu hören zu bekommen, war ihr zu wenig. Sie war kurz davor aufzulegen. Nur die Gier … oder eher Karrieregeilheit trieb sie an, dies nicht zu tun.
„Brown. Samantha Brown. Ich würde mich gerne näher über Ihr Angebot informieren.“
„Ich erwarte Sie in einer Stunde. Erscheinen Sie pünktlich.“ Der Mann legte auf.
„Ha … Hallo?“, fragte sie ungläubig. „Na sowas!“, beäugte sie das Handy, als wollte sie sicher gehen, es sich nicht nur einzubilden. Und dann kündigte der Ton auch schon eine Nachricht an. Sam öffnete diese. „O-kay“, fühlte sie sich … überfordert. Üblicherweise war sie es, die anderen mitten im Gespräch auflegte, oder Geschäftstreffen abbrach. Nicht, dass sie nie Menschen begegnet wäre, die auch zu diesem Schritt bereit gewesen wären, aber sie war eben schneller.
Sam betrachtete die Adresse, die ihr per SMS zugeschickt wurde und sah auf die Uhr. „Ob sich das ausgeht?“, prüfte sie den einen Stapel Unterlagen, der noch vor ihr lag und machte sich an die Arbeit.
Eigentlich war ihr von Anfang an klar, dass sie den Termin nie im Leben einhalten konnte. Doch der Ehrgeiz oder eher die Panik, von Dan als Versagerin und als des Postens unwürdig angesehen zu werden, trieben sie dazu, schon nach fünf Minuten den Stapel beiseitezuschieben und sich ein Taxi zu bestellen, sodass sie mit lediglich fünf Minuten Verspätung im Aufzug eines Bürogebäudes am anderen Ende der Stadt stand und wartete, bis die Aufzugstür aufging …
„Sie sind spät dran!“, ertönte ihr als Empfang.
„Der Verkehr …“
„Verspätungen, egal aus welchem Grund, dulden wir nicht.“
„Hm“, konterte Sam wortkarg.
„Setzen Sie sich“, der Mann bot ihr einen schlichten Stuhl an. Dieser quietschte, als Sam sich darauf gesetzt hatte und machte auch sonst den Eindruck, als sollte er jeden Augenblick auseinanderfallen. Der Schreibtisch und der Stuhl des Mannes sahen hingegen aus wie Einzelstücke nach Maß.
„Was kann ich für Sie tun?“, fragte der Mann nach, während er sie mit den Augen abtastete. Sam legte sich ihre Handtasche in den Schoß, schlug die Beine übereinander und kreuzte sogar die Arme vor der Brust.
„Mein Chef schickt mich, er …“
„Meist kommen sie von sich aus. Oder werden von ihren Ehemännern oder Partnern geschickt. Nur selten sind es die Vorgesetzten und die auch nur dann, wenn sie bestimmte Absichten haben.“
„Ja, die hat mein Chef auch. Er meint …“
„Offenkundig, dass sie andere nicht aussprechen lassen. Aber das soll das geringste Problem sein.“
Sam verstummte. Sie konnte sich auf die Worte des Mannes keinen Reim machen und es fiel ihr tatsächlich auch nichts weiter ein, was sie noch sagen konnte. Vor allem nicht, ohne unterbrochen zu werden.
Der Mann atmete absichtlich tief durch. Sam wartete nur noch darauf, welchen abwertenden Spruch er diesmal rauspfeffern würde. Doch er schwieg noch eine Weile, als ob er genau das Gleiche von ihr erwarten würde.
„Gut“, beendete er die Stille. Er klang zufrieden. „Das Training, das wir anbieten, besteht aus mehreren Etappen. Die Phase eins dauert vierzehn Tage und geht 24/7 …“
„24/7?“, konnte sie sich nicht mehr zurückhalten.
„In dieser Phase haben Sie keine Zeit für Verpflichtungen, denen Sie üblicherweise nachgehen.“
Sam öffnete bereits den Mund, um weiter unaufgefordert Fragen zu stellen, aber der Mann fuhr ohne Unterbrechung fort. „Phase zwei können Sie von Zuhause absolvieren. Allerdings werden Sie auch in dieser Zeit keinen anderen Verpflichtungen nachkommen können, um dem Training rund um die Uhr zur Verfügung zu stehen. Sollten Sie tatsächlich Phase drei erreichen, was in gerade sehr anzweifle …“
Sam klappte den Mund zu, was ein lautes Geräusch verursachte.
„Phase drei wird an Ihren Alltag angepasst. Nur, wenn alle drei Phasen erfolgreich zu Ende geführt werden, gilt auch Ihre Ausbildung als abgeschlossen.“
„Gibt es etwa ein Diplom?“, ätzte sie.
„Mehr als nur ein läppisches Diplom“, sagte er. Seine Augen glänzten dabei eigenartig.
„Sie sagten nicht, wie lange die Phase zwei dauert. Ich müsste mir unter Umständen weiteren Urlaub nehmen …“
„Sie haben noch nicht einmal mit der ersten Phase des Trainings begonnen. So lange Sie diese nicht zur vollsten Zufriedenheit der Trainer absolviert haben, brauchen Sie sich keine Gedanken über die Fortsetzung des Trainings machen.“
„O-kay“, sagte Sam deutlich verunsichert. „Und was kostet das Ganze?“
„Das erfahren Sie bei vorzeigem Ende. Sollten Sie – was ich mir im Augenblick kaum vorstellen kann“, betonte er so sehr, dass Sam genervt die Augen verdrehte, „alle drei Etappen hinter sich bringen, wird Ihr Konto nicht mit den Unkosten belastet.“
„Ich weiß, die Firma kommt auf jeden Fall dafür auf, aber es würde mich dennoch interessieren …“
Doch der Mann gab ihr darauf vorerst keine Antwort, lehnte sich lediglich in seinem Stuhl zurück und musterte sie wieder auf eine Art und Weise, bei der sich Sam am liebsten angewidert wegdrehen würde.
„Was haben Sie gesagt, wer Sie hierher geschickt hat?“
„Mein Vorgesetzter …“
„Und dem ist es tatsächlich egal, wenn sie versagen?“
So lange vom Abbruch die Rede war, störte es sie nicht. Aber das Wort versagen klang für sie wie Börsencrash. Daher schwieg sie diesmal eine Weile, als würde sie über die ganze Angelegenheit nachdenken.
„Kann ich mir so ein Training ansehen?“, fragte sie erst nach einer ganzen Weile.
„Nein.“
„Nein?“, rauschte in ihrem Gehörgang. „Ein informatives Gespräch stelle ich mir anders vor … Ich muss mich zwei Wochen von der Arbeit fernhalten, was mich enorm zurückwirft und dem Unternehmen Gewinneinbußen beschert …“
„Hatten Sie nicht gesagt, Ihr Chef schickt Sie? Das klingt danach, als hielt er ihre Ausbildung für wichtiger als die Zahlen unter irgendwelchem Strich. Und auch mir scheint, dass Sie dieses Training ziemlich nötig haben“, bemerkte er in einem Ton, bei dem es Sam kalt den Rücken runter lief.
„Scheint tatsächlich so“, bemerkte sie leise, auch wenn sie damit Dans Absichten und nicht irgendwelche Notwendigkeiten meinte.
„Sie müssen sich nicht gleich entscheiden. Allerdings brauchen wir vor dem Beginn der Ausbildung einen gründlichen medizinischen Check. Schließlich tragen wir viel Verantwortung …“ Der Mann holte ein Blatt Papier und legte es auf den Tisch. Sam war genötigt sich vorzubeugen, um es in die Hand nehmen zu können.
„Zahnarzt?“
„Vierzehn Tage rund um die Uhr. Da haben wir keine Zeit, uns mit Zahnschmerzen zu beschäftigen.“
„Gynäkologe?“
„Wir wollen sicher gehen, dass keine Schwangerschaft vorliegt.“
„Da steht – Bestätigung eventueller Jungfräulichkeit …“
„Wir müssen alles wissen.“
Sam schluckte. „Für was soll das gut sein?“
„Das werden Sie schon erfahren.“
„Gut“, seufzte sie und wollte aufstehen.
„Wir akzeptieren nur Befunde dieser Arztpraxen.“ Er legte ihr ein weiteres Blatt Papier auf den Tisch.
„Eh klar“, seufzte sie erneut, da auf der Liste ausschließlich männliche Ärzte aufgelistet standen. „Ich melde mich dann …“, wollte sie schon gehen.
„Wir sind noch nicht fertig.“
Sam stockte, drehte sich zögernd um. „Nicht? Muss ich noch etwas wissen?“, spottete sie.
„Ausziehen!“
„Was?“, lachte sie entsetzt. Aber der Mann sagte nichts mehr, tastete sie nur wieder mit den Blick ab.
Sam überlegte. Immer wieder kamen ihr die Worte ihres Chefs in den Sinn. Sie wollte den Job unbedingt und ihr war schon lange klar, dass sie alleine mit Wissen, Erfahrung und Ehrgeiz die Karriereleiter nicht weiter hinaufkommen würde. Bislang hatte sie auf ein Wunder gehofft. Nun hatte sich ihr eine andere Option eröffnet. Sam war sich jedoch nicht sicher, ob sie bereit war, diesen Weg zu gehen.
„Was solls …“, sprang sie über die unsichtbare Grenze. Sie legte ihre Handtasche auf dem klapperigen Stuhl ab und fing an, sich zu entkleiden. Nachdem sie sich bis zur Unterwäsche entblößte, stellte sie sich selbstbewusst dem Blick des Mannes.
„Weiter!“, herrschte er sie an.
Sam spürte, wie ihr die innere Hitze die Wangen rot färbte. Das hatte eine Wirkung auf ihn, doch Sam wusste mit dieser Veränderung in seinem Gemüt nichts anzufangen. Sie brauchte eine Weile, ehe sie ihren Anstand, oder eher anerzogene Hemmungen überwand und sich auch der Unterwäsche entledigte.
Der Mann stand auf und kam auf sie zu. Er nahm sie bei den Händen, die sie sich über die Scham und die Brüste gelegt hatte, und führte ihr diese parallel zum Körper, damit er alles von ihr sehen konnte. Während er um sie herum ging, um sie von allen Seiten zu betrachten, legte er ungeniert und ohne ihre ausdrückliche Erlaubnis die Hand auf die Schulter, dann auf den Oberarm, auf den Rücken und ganz zum Schluss auf die Pobacke.
„Ich rate Ihnen, sich vor den Untersuchungen zu rasieren.“
„Das wird wohl einem Zahnarzt egal sein können“, konterte sie.
„Ich rate Ihnen, meinen Rat anzunehmen. Wir behalten uns vor, Ihre Ausbildung jederzeit abzubrechen, sollten Ihr Erscheinungsbild, Ihr Verhalten und vor allem Ihre Fortschritte zu wünschen übrig lassen.“ Der Mann kehrte auf seinen Platz zurück und sagte ab da kein Wort mehr. Dennoch sah er ihr aufmerksam zu, wie sie sich wieder anzog und dann reschen Schrittes sein Büro verließ.
3
An diesem Tag war Sam noch ungewohnt spät im Büro. Lange Zeit stand sie vor dem Fenster und betrachtete die verschneite schlafende Metropole, überlegend, ob ihr der neue Posten das alles, was sie noch nicht mal erahnen konnte, wert war.
Obwohl der Mann, nach dessen Namen sie vergessen hatte zu fragen, von ihr nicht mehr zu sehen bekommen hatte, wie eine x-beliebige Person an einem FKK-Strand, fühlte sie sich – vergewaltigt. Nicht körperlich – aber ihr Ego wand sich gedemütigt am Boden und das rief ganz sonderbare Gefühle und Erinnerungen in ihr hervor.
Sie dachte an früher, an ihre Trainings. An die Sprüche des Trainers, der sie wie ein Drill-Sergeant niedermachte und damit antrieb, weit über das Maß des Erträglichen zu gehen.
Sogar bei der bloßen Erinnerung an diese Zeiten beschleunigten ihr Puls und auch die Atmung. Sam spürte die Energie, die dadurch in ihrem Inneren mobilisiert wurde.
Ebenso einen Anflug von Erregung …
4
„Ich hoffe sehr, der Ausritt hat Ihnen gefallen“, begegnete ihr der Sheikh mit einem aufgesetzten Lächeln.
„Es war eine Erfahrung wert“, brummte sie. Gerade so konnte sie sich zurückhalten, um sich nicht an den Hintern zu fassen, dem der Kamelritt alles andere, nur nicht gut getan hatte.
„Ich erwarte mir viel von unserer Zusammenarbeit.“
„Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen.“
Der Sheikh drehte sich ohne ein Wort zum Abschied um und ließ sie mit seinem Assistenten alleine zurück.
„Bringen Sie mich zum Flughafen?“
Der Mann nickte.
„Meine Koffer stehen in der Lobby“, antwortete sie in ihrer gewohnt arroganten Tonlage und ging vor, ohne sich weiter um ihr Gepäck zu kümmern. Schließlich bewahrte sie das Allerwichtigste in ihrer Handtasche auf. Alles andere war ersetzbar. Das unterschriebene Dokument wollte sie notfalls mit ihrem Leben beschützen.
5
„Sam!“ Dan empfing sie mit weit offenen Armen. Sie wusste genau, dass er nicht sie in diese schließen wollte, sondern nur den Vertrag. „Das ist …“ Er blätterte das mehrseitige Dokument durch. „Der arabische Immobilienmarkt gehört bald uns!“ Gerade, dass er nicht einen Tanz um den Schreibtisch aufführte, wie um einen Hexenkessel. Doch dann, von einer Sekunde auf die andere wurde er ernst. „Was ist mit unserer Abmachung?“
„Dan, ich …“ Sam war frisch geduscht und obwohl sie immer noch das Gefühl hatte, ihr würden Wüstensandkörner zwischen den Zehen kleben, waren es die unangebrachten Blicke des namenlosen Mannes, die ihr immer noch ein Würgen entlocken konnten.
„Haben Sie Ihre Eier etwa in der Wüste zurückgelassen?“, verspottete er sie.
Sam verdrehte die Augen. „Gut. Ich brauche vorerst vierzehn Tage. Was danach kommt, habe ich noch nicht in Erfahrung gebracht. Kann sein, dass es dann nochmals zwei Wochen werden.“
„Ich unterschreibe jeden Antrag. Verlieren Sie keine Zeit.“
Mist!, knurrte sie hinter zusammengepressten Lippen.
Dan kehrte zu seinem Schreibtisch zurück und senkte den Blick zu der Korrespondenz, die darauf lag, woraus Sam das Ende ihrer Unterhaltung ableitete.
Sie ging wieder in ihr Büro und wühlte in ihrer Handtasche nach der Visitenkarte. Dann wählte sie erneut die Nummer der ominösen O-Elite.
„Samantha Brown. Wann kann ich mit dem Training anfangen?“, erkundigte sie sich, kaum, dass sie das Ja zu hören bekommen hatte.
„Sie bekommen von uns drei Tage Zeit für das Einholen aller Befunde. Wir sehen uns somit am Samstag um 5.00 Uhr in der Früh. Und erscheinen Sie mit hochgestecktem Haar oder zumindest einem Dutt, sonst verpassen wir Ihnen eine schicke Kurzhaarfrisur.“
Sam grinste zynisch. „Gibt es sowas wie eine Packliste? Etwas, was unbedingt mitmuss?“
„Bringen Sie sämtliche Befunde mit. Alles andere ist reiner Ballast.“
„Wie …?“ Sam vernahm den üblichen Piepton. Der Mann hatte schon wieder aufgelegt. Wie soll ich das verstehen?, fragte sie sich selbst.
Sie suchte eine Weile nach der Liste der Praxen und als sie diese in einem der Unterlagenstapel gefunden hatte, rief sie auch schon den ersten Arzt an, um sich einen Termin auszumachen. Danach las sie sich das Verzeichnis all der geforderten Untersuchungen durch und stellte fest, mindestens drei Ärztetermine am Tag absolvieren zu müssen, um am Samstag mit dem Training, oder Ausbildung, oder was auch immer sich hinter dem Namen O-Elite verbarg, anfangen zu können.